Seit Donnerstag ist die Musik der Blasorchester und der Spielleute überall im hochsauerländischen Schmallenberg zu hören. Hunderte von Musikern sind in der Region unterwegs, viele von ihnen in den Uniformen ihres Orchesters. Aus Lokalen erklingen Trompetensätze, aus Hotelzimmern die Flöten der Spielleute. Probenräumen erklingen Trompeten, in Hotelzimmern werden Flötensoli geprobt. Offiziell eröffneten Bürgermeister Bernhard Halbe und der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser das Fest am Freitagabend. Musikalisch standen ihnen die „Sauerland Winds“, das Kreisjugendorchester der Volksmusiker im Hochsauerland, sowie das Landesspielleute-Korps des Volksmusikerbunds NRW zur Seite.
Dieses Eröffnungskonzert war für das Jugendorchester gleichzeitig auch ein Wertungsspiel. Über den Festgästen thronte auf einem Balkon eine Jury, die für die triumphalen Klänge Punkte vergab. Am nächsten Tag traten noch einhundert weitere Vereine aus dem ganzen Land zu Wertungsspielen an. Der Volksmusikerbund gehört zu den Verbänden der Laienmusik, die nur geringe Nachwuchssorgen haben. 1.000 Mitgliedsvereine zählt der nordrhein-westfälische Verband, in diesen wiederum sind 50.000 Menschen Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt unter 30 Jahre. 115 Musikvereine gibt es allein schon im Hochsauerlandkreis.
Da war es naheliegend, Schmallenberg als Festort zu wählen, zumal es schon 1997 ein erfolgreiches Landesmusikfest erlebt hat. Gleichwohl gibt es auch in dieser Vereinsszene Schwierigkeiten, die Zeit für das ehrenamtliche Engagement noch aufzubringen. „Leider werden in letzter Zeit auch Vereine aufgelöst oder sie können nur im Zusammenschluss weitermachen“, so schilderte es Paul Schulte, Präsident des Volksmusikerbunds Nordrhein-Westfalen. Umso wichtiger sind Feste der Begegnung wie das Landesmusikfest, die Zusammenhalt schaffen und Identität stiften.
Das würdigte auch der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser. Er dankte im Namen der Landesregierung für das ehrenamtliche Engagement der Versammelten beim Eröffnungskonzert. Das musikalische Erlebnis schaffe Bindungen, die hielten, und nichts helfe dabei mehr, als selbst zu musizieren. Auch dem Landesverband der Volksmusiker erwies er seine Reverenz: „Die Künstlerische Qualität der 50.000 Volksmusiker ist ein Kennzeichen von NRW und sie steht für die Qualität in der Laienmusik.“
Die Sauerland Winds beeindruckten mit einer klanggewaltigen Interpretation des „Kraftwerks“ von Jacob de Haan, einer musikalisierten Stadtgeschichte, zudem mit einem ebenso plastischen „Dragon Fight“ von Otto Schwarz, einer Sage aus den Liechtensteiner Alpen von einem Drachen, der in einer Höhle über einem Dorf haust und Schrecken verbreitet, bis ein Riese aus dem Dorf ihn niederringt. Nicht minder narrativ ist Schwarz’ „Cape Horn“ für Horn Solo und Blasorchester. Die einstmals sehr gefährliche Schifffahrtsroute vom Atlantik um Kap Hoorn in den Pazifik wird zum Horn-Solo, das Geoffrey Winter, Hornist des Beethovenhallenorchesters, begleitet von dem Jugendorchester zur fesselnden Legende machte.
Im Vorfeld des Landesmusikfests hatte der Verband einen Kompositionswettbewerb ausgelobt und interessante Einsendungen erhalten. Das ermöglichte zwei Uraufführungen im Eröffnungskonzert. Die erste galt der Dichtung für Bläserphilharmonie „Der verwunschene Bach“ von Christian Wiedemann. Auch Wiedemann hatte sich einer alten Sage zugewandt: Der Bach in Herrenstrunden soll ursprünglich nicht dort, sondern in Spitze geflossen sei und das so sprudelnd, dass er zur wirtschaftlichen Grundlage eines Müllers wurde. Dessen Geschäft war gefährdet, als sich „fahrendes Volk“ am Bach niederließ, worauf der Müller im Zorn die Kuh einer alten Frau erschoss. Diese verfluchte den Bach mit den Worten und beförderte das Wasser nach Herrenstrunden. Diese Episode ließ sich nun tonmalerisch in der Stadthalle Schmallenberg nacherleben.
Den zweiten Teil des Konzerts bestritt das Landespielleute-Korps unter Leitung von Irene Münter. Zwei Sätze aus der traditionellen Suite „Herbstblätter“ von Otto Haberer eröffneten das Programm, „The Witch and the Saint“ von Steven Reineke folgte, eine schaurige Sage aus der Hexenverfolgung im 16. Jahrhundert, gefolgt von Sinatras Hit „New York, New York“ in einem Arrangement für Spielleute. Auch hier eine Uraufführung: Tobias Lempfer setzte sich seinerseits mit einem Drachen auseinander. In seinem „Drachenflug“ erscheint aber kein Ungetüm, sondern ein positiv gezeichneter weiser Drache der asiatischen Kultur, den das Publikum der Schmallenberger Stadthalle mit großer Begeisterung annahm.
Das Fest bot Samstag und Sonntag Platzkonzerte, ein Kinder- und Jugendprogramm, einen Open-Air-Gottesdienst mit 40 Alphornbläsern und viele Wertungsspiele. Rund 1800 Musiker und Schützen zogen am Sonntagnachmittag in einem Festzug durch die Altstadt von Schmallenberg. Vereine der Region gingen vorne weg. Dem Tambourcorps, der Stadtkapelle und der Schützengesellschaft Schmallenberg folgten Vereine aus ganz Nordrhein-Westfalen, ein Verein aus dem Schwarzwald, einer aus Frankfurt/Oder. Auf den letzten Metern wurde der Festzug von einem Regenschauer erwischt. Heute Abend schließt das Fest mit Vlado Kumpan und seinen Musikanten.
Das Landesmusikfest des Volksmusikerbunds NRW wurde durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, durch den Landesmusikrat NRW, durch die Sparkasse Hochsauerlandkreis und durch viele Unternehmen der Region gefördert.
rvz
Fotos: Die „Sauerland Winds“, das Kreisjugendorchester der Volksmusiker im Hochsauerland, am 27. April in der Stadthalle Schmallenberg; Christian Wiedemannm, Komponist, und Paul Schulte, Präsident des Volksmusikerbunds NRW; der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser; Hornsolist Geoffrey Winter; die "Sauerland Winds"; Fotos: LMR NRW