Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele Vereine und Ensembles der Amateurmusik in Deutschland vor dem Aus stehen. Die Proben- und Aufführungsverbote der verschiedenen Lockdown-Phasen haben den Hauptgrund für das Zusammenkommen beseitigt: Das gemeinsame Musizieren und Aufführen. Kompensierende Tätigkeiten der Vereine beinhalten Bildungsmaßnahmen über digitale Medien, digitale Proben mit eingeschränkten Möglichkeiten und andere Formate, die jedoch nicht die Bindungskraft und Wirkung von analogen Proben und Konzerten erreichen können. Für die gesamte Amateurmusikszene ist die Nachwuchsförderung und -gewinnung immens wichtig. Vielerorts ist der gerade erst gewonnene Nachwuchs der Vereine und Ensembles auf „Distanz“ gegangen. Auch für ältere Singende und Musizierende ist jeder Monat ohne kontinuierliche Proben ein Schritt zur musikalischen Vereinsamung.
Das Vierte Gesetz zum „Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, das am 23. April 2021 in Kraft trat, hat die bisher von den Ländern verantworteten Schutzmaßnahmen vereinheitlicht, die Situation aber für die Amateurmusik verschärft. Ohne jede Differenzierung gelten jetzt für alle Landkreise und kreisfreien Städte mit § 28b Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen. Als Verordnungsermächtigung ist festgelegt:
„(1) Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die folgenden Maßnahmen:
[…] 1. private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum sind nur gestattet, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen;
[…] 5. die Öffnung von Einrichtungen wie Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten sowie entsprechende Veranstaltungen sind untersagt; dies gilt auch für Kinos mit Ausnahme von Autokinos; die Außenbereiche von zoologischen und botanischen Gärten dürfen geöffnet werden, wenn angemessene Schutzund Hygienekonzepte eingehalten werden und durch die Besucherin oder den Besucher, ausgenommen Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein negatives Ergebnis einer innerhalb von 24 Stunden vor Beginn des Besuchs mittels eines anerkannten Tests durchgeführten Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorgelegt wird;“
Die Konferenz der Landesmusikräte und der Deutsche Musikrat empfehlen den ausführenden Behörden Verordnungen, die das Schicksal der Amateurmusik im Auge behalten:
● Zu §28b (1) 1 empfehlen wir, dass Zusammenkünfte zu Sing- und Instrumentalproben der Amateurmusik in vereins- und nichtvereinsrechtlichem Rahmen auch oberhalb einer SiebenTage-Inzidenz von 100 im Freien mit maximal 10 Personen erlaubt sind, sofern der Verein Schutz- und Hygienekonzepte von den zuständigen Behörden des Landkreises oder der kreisfreien Stadt genehmigen ließ. Überschreitet die Sieben-Tage-Indiz hingegen den Wert von 165, sind Proben jeder Art untersagt.
● Bezüglich § 28b (1) 5 ist zu sehen, dass dann, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz der Schwellenwert von 100 wieder unterschritten wird, die Theater, Opern, Konzerthäusern, Bühnen, Musikclubs und entsprechende Veranstaltungen sofort wieder geöffnet werden sollten. Schutz- und Hygienekonzepte sind Voraussetzungen für alle Veranstaltungen.
● Die Ausnahmeregelung von § 28b (1) 5 für Autokinos, Zoos und Botanische Gärten sollte auch Open-Air-Proben und Konzerte der Amateurmusik in Autokinos, Zoos und Botanischen Gärten mit entsprechenden Schutz- und Hygienekonzepte ermöglichen.
● Unterschreitet die Sieben-Tage-Inzidenz den Wert 100 sind Proben von Amateurmusikvereinigungen ohne Übergangsfrist wieder zu erlauben, sofern genehmigte Schutz- und Hygienekonzepte vorliegen. Andernfalls wird eine dauerhafte Schädigung der Amateurmusikvereine, in denen Millionen von Bürgerinnen und Bürgern singen und musizieren, die Folge sein. Die Schädigung ist nicht nur eine finanzielle, sondern durch die Auswirkung auf die Nachwuchsarbeit auch eine nachhaltige.