Nahezu die Hälfte aller Berufsmusiker‘innen geht neben der künstlerischen einer musikpädagogischen Arbeit nach. Weitere 20 Prozent der Berufsmusiker‘innen kombinieren die Kunst mit Arbeit in einem ganz anderen Berufsfeld. Das ergab eine Untersuchung im Auftrag des Deutschen Musikinformationszentrums auf der Grundlage einer bundesweiten, genreübergreifenden Befragung vom Institut für Demoskopie Allensbach, die der Deutsche Musikrat am 18. April der Öffentlichkeit vorstellte.[1]
Beunruhigend ist, wie viele Berufsmusiker’innen mit ihrer künstlerischen Arbeit ihr Leben wirtschaftlich nicht sichern oder gar eine Familie ernähren können. Immerhin verfügen laut Allensbach 19 % der Berufsmusizierenden über ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 1.500 Euro. Sie sind auf Nebeneinkommen angewiesen. Das monatliche Nettoeinkommen von allen befragten Berufsmusiker‘innen liegt im Schnitt bei 2.660 Euro.
Bemerkenswert ist aber auch, wie viele als zweites Standbein künstlerisch-pädagogisch arbeiten. Viele machen dies vor allem aus Leidenschaft und weil sie ein Talent dafür haben. Auffällig ist zudem, dass viele trotz der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten mit ihrer Berufswahl zufrieden sind. Der Landesmusikrat NRW hat während der Corona-Pandemie durch zwei Studien in Kooperation mit Prof. Dr. Heiner Barz, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, bereits darauf hingewiesen, wie stark der Anteil von Berufsmusiker’innen mit einem Einkommens-Mix in den letzten Jahren angestiegen ist.[2]
Gleichzeitig fehlen dem Bildungssystem Fachkräfte, die Musik unterrichten. Notwendig ist es, kulturelle und insbesondere musikalische Bildung in den Nachmittag des Ganztags stärker zu implementieren. Das Durchführungsgesetz zum Ganztagsgesetz des Bundes, das NRW bis 2026 ausarbeiten und verabschieden muss, sollte für den Einsatz der Berufsmusiker’innen, die jetzt schon auch künstlerisch-pädagogisch arbeiten, günstige und qualitativ gute Rahmenbedingungen schaffen. Bislang sind vor allem die Honorarsätze zu gering.
Dabei geht es nicht darum, diese Kräfte für das Schulfach Musik einzusetzen. Für dieses bleibt das Studium der Schulmusik der Qualitätsgarant. Die Kräfte mit künstlerisch-pädagogischer Erfahrung sollten im Ganztag für tatsächliche kulturelle Bildung einbezogen werden. Wege zu einer qualitativ ausreichenden pädagogischen Qualifikation können durch verbindliche Weiterbildungsangebote angebahnt werden.
Die vielen kommunalen und privatrechtlichen Musikschulen in NRW sollten als Maßnahme gegen ihren Fachkräftemangel dabei unterstützt werden, allen ihren Lehrkräften auskömmliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzubieten. Auch der 26. Musikschulkongress des Verbandes deutscher Musikschulen in Kassel hat Verbesserungen des Berufsbildes und der Beschäftigungsverhältnisse an öffentlichen Musikschulen gefordert.
Der Landesmusikrat NRW, der Kulturrat NRW, der Landesverband der Musikschulen, die Landesmusikakademie NRW und weitere Einrichtungen haben in einer Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des nordrhein-westfälischen Landtags zum Fachkräftemangel in der Musik viele konkrete Vorschläge gemacht und auf Potenziale hingewiesen.[3]
„Wir müssen die Heterogenität des heutigen Berufsmusikertums nutzen,“ so Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW, „unser Bildungsnotstand gerade in Bezug auf Musik braucht gute Gelingensbedingungen für den Einsatz all dieser Kräfte. Gleichzeitig sollten Bund und Länder ihre Initiative verstärken, die soziale Absicherung der Soloselbständigen in Kunst und Kultur erheblich zu verbessern.“
Düsseldorf, 10. Mai 2023
[1] Musik – (k)eine brotlose Kunst: Wirtschaftliche Lage, Erwerbstätigkeit und Ausbildungswege von Berufsmusiker*innen. Deutsches Musikinformationszentrum, April 2023, https://miz.org/de/fokus/berufsmusikstudie
[2] Vgl.: Die wirtschaftliche und soziale Situation von vollständig oder teilweise freischaffenden Musikpädagog*innen sowie Musiker*innen in NRW, Ergebnisse der zweiten Online-Befragung 2022, vorgelegt von Prof. Dr. Heiner Barz, Düsseldorf 2022,
https://www.lmr-nrw.de/fileadmin/user_upload/Projektbericht_Heiner_Barz_02.06.2022.pdf
[3] Anhörung A12 – Musikschul-Lehrkräfte – 23.03.2023, Nachwuchsmangel bei den Musikschul-Lehrkräften in Nordrhein-Westfalen, Vorlage 18/527, Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien am 23. März 2023, Dokumentarchiv des Landtags,
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST18-431.pdf
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMST18-427.pdf etc.
(Pressemitteilung des Landesmusikrats NRW vom 10.5.2023)