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Eine digitalisierte Welt braucht Künstlerinnen und Künstler: Die Tagung „Digitale Kultur/Kultur des Digitalen“ skizzierte Chancen und Verwerfungen

 „Wir Künstler schmoren wie Frösche in einem großen Topf. Die Gesellschaft braucht uns Frösche aber, weil wir an ihrem Kern arbeiten, weil wir uns als demokratisches Korrektiv betätigen und daher unverzichtbar sind“, so fasste Matthias Hornschuh am 6. September in der Tagung „Kultur des Digitalen, Digitalisierung der Kultur“ die Ergebnisse des Tages zusammen. Das Bild der Frösche hatte Nina George in einem brillanten Eröffnungsvortrag aufgebracht und sie muss es als Bestsellerautorin wissen. Dem stellte Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats NRW, die Forderung nach „Respekt gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern“ als Notwendigkeit für die Gesellschaft entgegen. Ohne die Inhalte der Urheber und Interpreten fehlte das Benzin für die Motoren des Netzes, so Prof. Dieter Gorny.

Der Kulturrat NRW führte 180 Tagungsteilnehmer in Düsseldorf zusammen, um über Chancen und Verwerfungen im Kulturleben zu diskutieren. Denn „die digitale Revolution und ihre Chancen und Gefahren sind ein Schwerpunkt der Arbeit des Kulturrats NRW“, erläuterte Gerhart Baum in seiner Begrüßung und verwies dabei auch auf die Agenda in der Regierungserklärung der CDU-FDP-Koalition von 2017. Eine beeindruckende Phalanx von Impulsreferaten aus den Kultursparten skizzierte eine große Herausforderung des Produzierens, Präsentierens und Vertreibens von Kulturgut und Kunst. Denn Nina Georges Frosch wird im Kochtopf des digitalisierten Markts langsam gar gekocht. Jedes Risiko wird zum Künstler hin verlagert, der Künstler als Schöpfer und Produzent seiner Kunst muss auch Sponsor für deren Präsentation werden. Er investiert über die originär künstlerische Arbeit hinaus Geld und geldwerte Leistungen – statt seine Brötchen zu verdienen. Nina George kritisierte das „Vorleistungsprinzip“, nach dem der Künstler für die Präsentation seines Werks nicht entlohnt wird, weil diese doch Werbung für ihn darstelle. Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen unterstützte die Kritik: „: Es geht nicht, dass Werbung der einzige Lohn für den Künstler ist.“

Vor allem drei Bedürfnisse und Forderungen arbeiteten die Referentinnen und Referenten heraus:

  • Komponist Matthias Hornschuh bezog den von Baum geforderten Respekt auf den Markt. In diesen Märkten sind die Künstler strukturell die Unterlegenen. Die Manager von Youtube sprechen nicht von Künstlern, sondern von „Talents“. Zärtlich streichen sie ihnen über den Kopf, aber mehr Respekt ist nicht drin. Am 12. September behandelt das EU Parlament wieder die Vorlage eines europäischen Urheberrechts, das Kunst und Kultur unbedingt benötigen. Der Druck der Netzlobby dagegen ist groß. Doch das Urheberrecht muss kommen – das zog sich durch fast alle Vorträge.
  • Die Tagung zeigte ein Bedürfnis nach Freiräumen, sowohl nach geistigen Freiräumen, als auch nach Räumen mit Ressourcen und Infrastrukturen, in denen man forschen, recherchieren und produzieren kann - unter Einbeziehung des Rezipienten, wie die Komponistin Brigitta Muntendorf betonte. Die Kulturpolitik soll prozesshafte Kunstproduktion unterstützen, die nicht planbar ist, in der das Experiment möglich ist und in der man scheitern darf. Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen trat für die freie Szene ein: „Die starke freie Szene ist auch wichtig für die etablierten Häuser, es ist wie ein Ökosystem der Kunst.“ Sie kann sich vorstellen, Ausstattungs- und Arbeitsmöglichkeiten zu fördern: „Die Rahmenbedingungen werden durch den Immobilienboom schwieriger, aber zum Beispiel im Ruhrgebiet gibt es viele Möglichkeiten.“ Sie wies auf ein aktuelles Förderprogramm für Investitionen von Kultureinrichtungen und Künstlervereinigungen an, dessen Ausschreibung aktuell auf mkw.nrw steht.
  • Künstlerinnen und Künstler brauchen auch in einer digitalisierten Welt professionelle Strukturen an ihrer Seite: Labels, Foren, Clubs und Häuser der Präsentation. Ohne diese geht es nicht und auch sie müssen überleben können, so Dieter Gorny (ecce) und Ralph Christoph (c/o pop). Auch diese müssen im Fokus der Kulturpolitik sein: „Wir müssen die Partner in die Diskussionen mitnehmen. Solche Partnerschaften, die die Politik durch eine Förderung von Labels und Clubs den Künstlern ermöglicht, sind wichtig.“

In der Tagung sprachen Nina George, Prof. Dieter Gorny, Prof. Brigitta Muntendorf, Ralph Christoph, Katja Grawinkel-Claassen, Michael Eickhoff, Stephanie Thiersch, Marc Schießer, Marcel Becker-Neu, Philipp Hoffmann, Alexander Basile, Fee Bonny, Prof. Dr. Susanne Keuchel, Dr. Anselm Kreuzer, Prof. Andreas Grimm,  Matthias Hornschuh, Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen und Gerhart Baum. Jörg Biesler moderierte. Gastgeber war das Institut für Musik und Medien der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf.

Einen ausführlichen Tagungsbericht wird der Kulturrat NRW auf kulturrat-nrw.de bereitstellen und daraus einen Forderungskatalog entwickeln.

www.kulturrat-nrw.de

Fotos:Gerhart Baum, Matthias Hornschuh, Dieter Gorny und Nina George während der Tagung "Digitale Kultur" am 6. September 2018 im Partikasaal der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf; Fotos: LMR NRW