Die Intendantinnen und Intendanten des öffentlich-rechtlichen Senderverbundes haben bei ihrer zweitägigen Juni-Sitzung in Stuttgart Grundsatz-Entscheidungen gefällt, wie der Umbau der ARD konkret aussehen wird, so verkündete es eine Pressemeldung der ARD. Zur Kultur im Hörfunk gaben die Intendanten bekannt: „Künftig soll es zunächst bei den Kultur- und Infowellen eine noch engere Zusammenarbeit geben. In einen neuen Inhalte-Pool bringen die ARD Medienhäuser Beiträge, Reportagen und Sendungen ein, die dann allen zur Nutzung zur Verfügung stehen.“
Während diese Aussage den Eindruck erweckt, die Vielfalt der Beiträge, Reportagen und Sendungen bliebe erhalten und stehe künftig über den Pool allen Sendern zur Verfügung, verriet ein Interview des NDR mehr: In einem Interview des NDR-Redakteurs Mischa Kreiskott mit der Leiterin der Kulturredaktion des NDR Anja Würzberg erläuterte Würzberg am 22. Juni:
„Wir sind regional, wollen regional bleiben, wir legen einen großen Schwerpunkt auf die regionale Kulturberichterstattung, vor allem zwischen 8 und 20 Uhr – und danach kriegen Sie die Highlights aus der ganzen ARD von uns: Das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Sir Simon Rattle oder die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen aus der Elbphilharmonie – auf jeden Fall bekommen Sie von uns das Beste von allem.“
Auf Nachfrage, ob das auf das Einheitsprogramm des „ARD Radiofestivals“ hinauslaufe, setzt Würzberg fort: „Wir haben uns vorgenommen, dass wir das über das ganze Jahr ziehen, dass wir ab 20 Uhr den Hörerinnen und Hörern von NDR Kultur ein sehr hochwertiges Kulturprogramm zur Verfügung stellen, und das eng eingehakt mit den anderen Kulturredaktionen der ARD.“ Damit bekannte Würzberg, dass die Intendantinnen und Intendanten mit ihrem Beschluss für die Abendstrecke eine Einheits-Kulturwelle des ARD-Hörfunks in den Blick nehmen.
Der Landesmusikrat NRW lehnt dieses Ziel ab. Kulturleben braucht Vielfalt und Regionalität, um Menschen sinnstiftend zu bereichern und zur Auseinandersetzung zu fordern. Und Sendungen, Berichterstattung über das Kulturleben sowie Veranstaltungen der Sender brauchen ebenso Vielfalt und Regionalität.
Völlig zu Recht haben Christian Höppner (Deutscher Kulturrat) und Gerhart Baum (Kulturrat NRW) in einem Positionspapier der Kultur-Rundfunkräte am 6. Juni festgestellt: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist mit dem Auftrag gegründet worden, die Demokratie zu fördern und zu sichern. Auch die Kultur hat eine Demokratierelevanz. Die Hörerinnen und Hörer, die Zuschauerinnen und Zuschauer müssen unmittelbar erkennen, dass sie ein öffentlich-rechtliches Programm nutzen. Dies gilt unabhängig vom Verbreitungsweg. Ein Alleinstellungsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sein Kulturauftrag, ist durch den 3. Medienänderungsstaatsvertrag bekräftigt worden.“
Mit einer Einheits-Kulturwelle verspielen die ARD diesen Kulturauftrag und letztlich auch die Legitimation ihres gebührenfinanzierten Systems.
Reinhard Knoll, Präsident des Landesmusikrats NRW, sagt voraus: „Eine Einheits-Kulturwelle wird binnen kurzem eine drastische Minimierung der Berichte, Features, Produktionen und Klangkörper zur Folge haben und das kulturelle Angebot der Sender verarmen lassen.“
Der Landesmusikrat NRW fordert die Intendantinnen und Intendanten sowie die sie begleitenden Gremien auf, zu unserem Kulturleben zu stehen und sich für die Vielfalt von Berichten, Features, Eigenveranstaltungen und Klangkörpern der Sender einzusetzen.
(Pressemitteilung des Landesmusikrats vom 11.7.2023)