Am 9. Dezember stellten die Teilnehmerinnen des Improvisations-Workshops "Freispiel" ihre Ergebnisse in einem Konzert des Bunkers Ulmenwall Bielefeld vor. Angelika Niescier und Julia Hülsmann hatten den jungen Musikerinnen zwei Wochenenden lang die Grundsätze der Improvisation näher gebracht. Der Workshop richtete sich an junge Musikerinnen, die an Improvisation ein grundsätzliches Interesse haben, allerdings eine Schwelle vor dem selbstständigen Agieren empfinden.
Über diese Schwelle halfen Angelika Niescier und Julia Hülsmann im Auftrag des Landesmusikrats und des Bunkers Ulmenwall sowie mit Unterstützung des Ministerpräsidenten des Landes NRW mit Rat und Kritik hinüber. Die Organisationsarbeit lag bei Kerstin Belz, die die Musikerinnen fürsorglich umsorgte. Die Dozentinnen erarbeiteten mit den Musikerinnen einerseits die Freiräume in Jazz-Arrangements, so etwa Steve Kuhns "Saga Of Harrison Crabfeathers", und entwickelten andererseits freie Improvisationen, die von literarischen Werken, von Bildern oder schlicht von Begriffen ausgingen.
So formten die Musikerinnen während der beiden Wochenenden Konzeptkompositionen, die im Abschlusskonzert noch einmal improvisierend ausgefüllt wurden. Miriam Schröer (Klavier) etwa setzte sich mit Goethes "Leiden des jungen Werther" auseinander, konzipiert für Piano, Sopransaxophon und zwei Sprecherinnen. Mira Köhn, Friederike Schmetzer und Dora Osterloh füllten mit ihr die Freiräume aus. Jule Balandat formte ihrerseits eine "Kapriole über den Zauberer von Oz" für Quartett.
Besonderen Eindruck machte das Stück "Kantine", dessen kompositorisches Gerüst Dora Osterloh von einer Fotografie Boris Sieverts' ableitete. Sieverts und sein Büro für Städtereisen erarbeiteten 2007 eine Fotoausstellung für den Kölnischen Kunstverein mit einem Fotokatalog. Seine Fotografie "Kantine" zeigt vereinzelte, gebeugt speisende Menschen in einer Werkskantine, eine Fotografie von einer formal klar strukturierten und emotional eher tristen Suggestivität. Dora Osterloh (Gesang) und Jule Balandat (Bass) gaben ihr nun eine narrative klangliche Gestalt. Ob Sieverts erwartet hat, dass sein Werk einmal in Klang übersetzt werden wird"
Als Zugabe des Abschlusskonzerts im Bunker Ulmenwall improvisierten die Musikerinnen über den Begriff "Schlaflosigkeit", den ein Zuhörer spontan gerufen hatte. Ein eindrucksvolles Klangbild einer zerrissenen Nacht entstand, angesichts dessen man sich an jeden lebendigen Ort wünschte, nur nicht ins Bett.
Foto oben: Angelika Niescier mit Workshop-Teilnehmerinnen
Abbildung Mitte: Kantine. Improvisationsskizze von Dora Osterloh
Foto unten: Abschlusskonzert im Bunker Ulmenwall