Am 7. Oktober spielten 13 junge und jugendliche Bands der kulturellen Vielfalt in beiden Sälen des Musikforums Bochum. Der Landesverband der Musikschulen veranstaltete in Kooperation mit der Musikschule Bochum und dem Landesmusikrat den Wettbewerb „Global Music NRW“. Im Kleinen Saal spielten und sangen die jüngsten Musikerinnen und Musiker, zu Beginn der "Moving Choir" aus Velbert (Leitung Heike Trimpert) afrikanische Lieder mit einer instrumentalen Begleitung, die vor allem perkussiv ist.
Eine animierende und tänzerische Musik entstand. Immerhin handelt eines der Lieder von einer afrikanischen Frau, die sich zunächst ziert zu tanzen und dann so sehr hingerissen wird, dass sie sogar im Auto weitertanzt. Das Wettbewerbspublikum staunte, wie jung die Mitglieder dieser Ensembles sind und was sie schon vermögen. Gerade einmal 10 bis 13 Jahre alt sind die Musikerinnen und Musiker der "United Harmonies" (Leiter Dominik Jung) aus der Musikschule Siegen, die mit Arrangements von überwiegend ost- und südosteuropäischen Melodien aufwarteten.
Im großen Konzertsaal hingegen traten die Älteren auf, so das anatolisch geprägte Ensemble „Alla Turca“ von Ahmet Bektas aus Bochum. Höhepunkt seines Programms war eine anatolische Weise, die Bektas in die Filmmusik zu „Der Pate“ überführte, eine Reverenz an die mitspielende Mandoline, deren silbriger Klang sich mit Baglamas, Gitarre und Oud vereinte. Auch manches andere Ensemble verblüffte durch die Verschiedenartigkeit seiner Stücke. Ganz den Trommeln verschreibt sich “Boogie Voodoo” der Musikschule Dortmund (Leitungsteam Christoph Haberer, Waldo Karpenkiel, Thomas Gross, Michael Petersvier). Die Herkunft ihres Programms ist bunt, es sind Arrangements von Popsongs, weltmusikalischen Fundstücken und Filmmusiken. Zuweilen verbindet ein Titel zwei Bearbeitungen verschiedener Stücke durch verschiedene Leiter des Teams und doch wirken die Drumming-Kaskaden homogen – alle Male jedenfalls eindrucksvoll dynamisch im Kleinen Saal des Musikforums.
Währenddessen erklangen im Großen Saal israelische Tänze der „5th Generation“: Die Leverkusener Musikschule hat einer langen Tradition folgend ein weiteres wunderbares Klezmer-Ensemble hervorgebracht (Leitung Jürgen Ohrem). Eingeleitet von einem grazilen Violinsolo reihten sich ein Folk-Stück aus Odessa, ein Kinderlied aus Polen und weitere Tänze aneinander. Die Leverkusener Musikschule folgt hierin einer deutschen Folk-Tradition, die in die 1970er Jahre zurückgeht und mit immer neuen Stilelementen den Bezug zur jeweiligen Gegenwart wahrt.
Das passt zum Contest: Der Wettbewerb "Global Music NRW" hieß bis vor wenigen Jahren "Folk+World", davor, in den 1980er Jahren, zog er als Wettbewerb "Jugend und Folklore" durch die nordrhein-westfälischen Musikschulen. So wie deren Ensembles von Jahrzehnt zu Jahrzehnt ihre Programme aktualisieren und so wie unabhängige Bands in die Szene treten, so verändert auch der Contest den Charakter seiner Ausschreibungen. Einen wichtigen Part hat hier die Musikschule in Ibbenbüren inne. Mit gleich drei Ensembles – "Pickup", "Picaro" und "Larifu" (Leitung Clemens Lügger) – wartete sie auf. Blockflöten, Violinen, Gitarren, Kontrabässe sind als typische Folk-Instrumente ebenso Teil von deren Besetzung wie Querflöten und Saxophone. Lügger setzt auf Folk-Arrangements von Pionieren der deutschen Folkpartituren wie etwa Henner Diederich und Lügger selbst, mehrfach brechen auch Elemente gegenwärtiger Popkulturen in die Liedsätze ein. Stimmungsvoll weist alles auf die Erlösung der Welt hin, "Larifu" krönt seinen Auftritt mit Cohens „Hallelujah“.
Ganz anders klingt das Timbre des "Jungen Ensembles Ruhr" (Leitung Annegret Keller-Stegmann). 15 Musiker aus sechs Nationen, alle im Raum Duisburg lebend, bieten Poetry-Slam und Songs mit gemischtem Instrumentarium. Ein Drittel des Ensembles singt, ein Drittel spielt akustische und elektrische Melodieinstrumente, ein Drittel treibt die Songs in der Rhythmusgruppe an. Letztere vor allem sorgt für einen durchgehend klagenden Ton über düsteren Ostinati des E-Basses, der zu den kritischen Texten passt. Auch bei den "Rhein-Refugee-Youngstars" (Leitung Michael Meranke, Markus Biehler) aus Bad Honnef handelt es sich um ein integratives Musikprojekt, das junge Menschen verschiedener kultureller Herkunft, auch aktuell geflohene Jugendliche, vereint. Die Musik der Band ist pop-orientierter und lässt den einzelnen Musikern Raum für individuelle Einlagen.
Stilistisch stringent verschreibt sich das Trio "Fresh in Roots" (Till Herlitzius) aus Bad Salzuflen dem Reggae. Mit Lust und großer Spielfreude trieben die drei Musiker, weit verteilt über die große Bühne des Konzertsaals, die Reggae-Rhythmen durch das Musikforum. „Abrakadabra“ (Brigitte Braunstein) aus der Musikschule Marl konzentriert sich auf die Kultur polnischer Einwanderung, arrangiert deutsche und polnische Volkslieder zu schwungvollen multiinstrumentalen Sätzen. Die Bands mit klar profiliertem Repertoire haben es insgesamt in den 15 bis 20 Minuten langen Zeitfenstern (je nach Altersgruppe) leichter zu überzeugen – stilistische Vielfalt braucht in der Bühnenpräsenz Entwicklungszeit.
Mehr Bühnenzeit bot ein begleitendes Festival in der Rotunde am Konrad-Adenauer-Platz Bochums: Bands präsentierten außer Konkurrenz im Dreiviertelstundentakt ihre Programme. Eigentlich sollte das Festival den Wettbewerb open-air ergänzen. Doch der schräg durch Bochum treibende Regen erhöhte die Attraktivität der trockenen, wenn auch lausig kalten Rotunde. Die Stimmung mancher Band sorgte für wippende Beine und beschleunigten Blutkreislauf.
Wettbewerbsleiter Rainer Buschmann etwa bot sein dynamisches Ensemble "Grenzen.los" aus der Musikschule Bochum auf. Es zeigten sich auch Ensembles aus dem Wettbewerb , so "Duende" (Martin Begall) aus der Musikschule Kamp-Lintfort, ganz dem Flamenco verpflichtet. Diese Band schien zu mutieren: Schloss man in ihrem Wertungsspiel die Augen, hörte man fetzige Flamenco-Arrangements für Gitarren-Ensemble mit treibenden Soli, öffnete man sie, erblickte man sechs junge Menschen auf sechs Stühlen ruhig nebeneinander sitzend und mit unbewegter Miene Cajon, E-Bass und vier Gitarren spielend. Nun, im Halbdunkel der Rotunde vor einer Ziegelwand positioniert und ohne Juroren in Hörweite, wirkten sie anders, die physische Haltung ihrer Musik näher gerückt. Das Publikum in der Rotunde ging begeistert mit und forderte Zugabe auf Zugabe. In der Wertung waren Zugaben untersagt, im Festival kamen die sechs nun den Wünschen gerne nach.
Die beiden Jurys im Musikforum bestanden aus Katja Fernholz-Bernecker (Musikschule Lüdenscheid), Gilda Razani (Theremin-Spielerin, Saxophonistin und Komponistin), Kemal Dinc (Baglama-Dozent an der Popakademie Mannheim), Andreas Heuser (Gitarrist und Komponist), Prof. Dr. Michael Rappe (Professor für Geschichte und Theorie der Populären Musik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln) und Darius Darek Roncoszek (Veranstalter und DJ).
Der Landesverband der Musikschulen in NRW hat den Wettbewerb, den er gemeinsam mit dem Landesmusikrat trägt, mit der von ihm gewohnten Präzision organisiert, maßgeblich Viola Boddin, Hedwig Otten und Annegret Schwiening-Scherl. Seitens der Musikschule Bochum wurde Wettbewerbsleiter Rainer Buschmann u.a. von Tugrul Türkem unterstützt, der das Rotundenprogramm in Daunenjacke launig moderierte. Auch der frühere Wettbewerbsleiter Ulrich Papencordt kam und kümmerte sich um die Jurys.
“Global Music NRW” wird vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW gefördert, das begleitende Festival finanzierte die NRW-Stiftung. Die Bewertungen der Jury stehen unten zum Download bereit.
Robert von Zahn
Fotos: Das Junge Ensemble Ruhr Global Music am 7. Oktober 2017 im Bochumer Musikforum; der Movin Choir aus Velbert; die Band Sazofuzz im Festival in der Rotunde; Larifu aus Ibbenbüren; 5th Generation aus Leverkusen; Fotos: LMR NRW.