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Globale Musik in den Medien

3. Podium zur kulturellen Vielfalt im Musikleben

 

Ulli Langenbrinck, Journalistin und Cheflektorin des Asso-Verlags in Oberhausen, sieht die Weltmusik in einer Krise der medialen Berichterstattung. Allgemein scheint das Thema auf dem Rückzug sein, die Fachmedien sind in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, die Feuilletons blenden das Thema Weltmusik mehr und mehr aus. Als Informationsforum tritt das Worldwide Web in die Lücke, doch ist dies eine ausreichende Kompensation" Ist die globale Musik in den Medien so vertreten, wie es sein sollte" Dies richtete die Moderatorin des 3. Forums zur Musikalischen Vielfalt als Frage an Uli Lemke, dem Redakteur des Fachjournals "Blue Rhythm", an Johannes Theurer vom Berliner Radio Multikulti des RBB, und an Dr. Werner Fuhr von WDR3.

 

Uli Lemke stellt mit seinem Magazin "Blue Rhythm" eins der wenigen regelmäßigen Informationsorgane bereit. Es funktioniert wirtschaftlich als Beilage zu "Jazz Thing", der auflagenstärksten deutschen Jazzzeitschrift mit Sitz in Köln. Als selbständige Zeitschrift wäre "Blue Rhythm" wohl nicht lebensfähig. Samt und sonders sieht die Situation im Bereich der Weltmusik-Medien nicht rosig aus. Einen besonderen Einschnitt kündigte der RBB in Berlin an: Seine Welle Radio Multikulti wird zum Jahresende 2008 eingestellt. Ein wichtiges Forum für den kulturellen Austausch geht damit verloren. Mit 16.000 Unterschriften haben sich Berliner Bürger vergeblich für den Fortbestand von Radio Multikulti eingesetzt. Johannes Theurer vom Radio Multikulti sah schon immer neidvoll auf die Verhältnisse in NRW, auf die Arbeitsbedingungen der Redakteure Werner Fuhr und Jan Reichow. Doch gegen die Entwicklung kann er nichts ausrichten. Im Rundfunk Berlin-Brandenburg gibt es eine ökonomische Schieflage, was bis zu einem gewissen Grade dem System der ARD zuzuschreiben ist, gleichwohl dazu führte, dass der Fortbestand von sieben Rundfunkwellen nicht mehr möglich erschien. Radio Multikulti soll weichen. Das Funkhaus Europa kann ein begrenzter Ersatz werden, doch die Stimmung in Berliner Szenen ist aufgebracht. Neben Unterschriftensammlungen gibt es einen Eissalon, der ein Radio-Multikulti-Eis aus Solidarität verkauft, und gestern abend gab es eine Solidaritätsveranstaltung von Hörern, Musikern und Freunden. Auch dieses Festival kann wohl nichts gegen den Schließungsbeschluss ausrichten.

 

Nach Meinung von Theurer müsste die Kommunikation zwischen den Kulturen weiter ausprobiert werden, auch wenn die Quoten relativ dürftig sind. Ulli Langenbrinck erkennt eine größere Leistung eines solchen Senders als das eines bloßen Farbenspiels im Programm. Denn es gibt eine kommunizierende große Szene, die einen Spiegel und einen Multiplikatoren braucht. Es geht nicht nur um Musik, sondern um kulturelle Hintergründe.

 

Werner Fuhr, Redakteur von WDR3, wird von seinen Kollegen oft um die Möglichkeiten beneidet, die in NRW existieren. Im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk besteht allgemein ein relativ guter Zustand. Im WDR jedenfalls beschäftigen sich gleich zwei Wellen mit der Musik der Welt. Hausintern führt das schon einmal zu Konkurrenzsituationen um Ressourcen, doch für die Hörerschaft besteht durch den WDR ein großes Angebot. Bis dahin war es ein langer Weg. In den Zeiten des NWDR und den frühen Jahren des WDR ab 1956 gab es eine Redaktion Volksmusik, in der u.a. festangestellte Mitarbeiter des WDR arrangierte Volksliedsätze spielten. In der Bewegung, die von den Festivals auf Burg Waldeck ausging, entstanden in den 1970er Jahren neue Sendeplätze. Die Matinee der Liedermacher und die Nachtmusiken wurden wichtige Foren des WDR und sorgten für eine neue, sensibilisierte Wahrnehmung globaler Musik. Doch das Radio ändert sich ständig. Das System der fachorientierten Redaktionen schien für den WDR nicht mehr zu funktionieren und man etablierte in den 1990ern das System der Wellen, die wie geschlossene Systeme wirken " mit Vorteilen und Nachteilen. Zu WDR3 trat das unterhaltendere Funkhaus Europa hinzu. Nach wie vor sieht Werner Fuhr für die globale Musik im WDR günstige Bedingungen.

 

Er postuliert einen doppelten Umgang mit Musikkultur bei WDR3. Die Welle ist ein Kultur hervorbringender Faktor. Als Veranstalterin, Co-Veranstalterin und Mitschneidende fördert sie kulturellen Betrieb im Lande. Zudem versucht das Programm, klassische Musik zusammen mit Musik, die heute gemacht wird, zu senden, letztlich jede Musik, die den Anspruch erhebt, wirklich gehört zu werden. Seine Redaktion probiert die Anwendung der Mechanismen des traditionellen Musiklebens von NRW an der Weltmusik aus. Das funktioniert bis aber nur bis zu einem gewissen Grad. Creole NRW etwa ist jetzt an einem neuen Ort, dem Solendo am Wasser, und damit deutlich entspannter als noch zuletzt im Dortmunder Domizil. Die Partystimmung macht es aber schwieriger, das Wettbewerbsgeschehen ins Programm von WDR3 einzubringen. Das ist eine Herausforderung.

 

Johannes Theurer geht hier auf die Barrikade, Fuhr denkt ihm zu kunstmusikalisch. Die Frage, ob das nicht zuviel Spaß mache, diese Musik zu hören, hat er oft gehört. Funkhaus Europa versucht ein Tagesprogramm zu machen, das die Leute dort abholt, wo sie gerne unterhalten werden. Das muss als Programm nicht schlecht sein. Es ist eine andere Richtung als die von WDR3. Die eine entwertet aber die andere nicht.

 

Ulli Langenbrinck fragt, ob nicht die Infrastruktur " Produktionsmöglichkeiten, Labels, Medien, Verwerter " in der Weltmusik immer noch unzureichend ist. Uli Lemke ist im hohen Maße von Anzeigen abhängig. Das war zu Zeiten, als die Major Firmen mit Weltmusik Geld verdienten, viel leichter als heute. Doch immer noch hat er die Freiheit zu entscheiden, mit welchen Themen er sich beschäftigt.

Kann Worldmusic ohne öffentliche Gelder überleben" Lemke findet das schwierig. Alle gucken auf das Internet, doch die Entwicklung ist noch nicht vorhersagbar. Theurer weist darauf hin, dass die Szene schon eh nur unter Selbstausbeutung funktioniert. Künstler unterschreiben Verträge, die sie nicht verstehen können, und übernachten bei Tourneen in Wohngemeinschaften, Labels können kaum überleben. Die Medien nehmen oft eine "Absahnerrolle" ein, auch öffentliche Institutionen, die etwa Stadtteilfeste äußerst kostengünstig interkulturell kolorieren.

 

Andererseits, so Theurer, ist über die Jahre das Interesse an ethnischen Instrumenten gewachsen. Es gibt Workshops, die funktionieren, auch ökonomisch. Nicht immer werden sie von kompetenten Künstlern gegeben. Werner Fuhr vergleicht diese Bedingungen der Weltmusik mit der eigenen Kultur, die öffentlich gefördert wird, und stellt fest, dass letztere unter gleichen Bedingungen nicht funktionieren würde. Doch die Weltmusik wird von vitalem Interesse angetrieben, deshalb wird die Szene nicht untergehen.

 

Ist die Musik nicht in den Medien vertreten, weil mit ihr nicht viel Geld verdient wird" Ulli Langenbrinck beobachtet im allgemeinen Kulturleben, dass es Modeerscheinungen gibt, Trends, die gleichzeitig in 99 Ländern der Erde starten und fast gleichzeitig in den großen Feuilletons gebracht werden. Doch im Bereich der Weltmusik geschieht dies kaum. Werner Fuhr bemerkt, dass derjenige Künstler, der es in diesen nächsten Bereich der Kulturwirtschaft hinein geschafft hat, für ihn und sein Programm auch weniger interessant ist. Theurer bekennt, dass der einzige Bereich, der läuft, ist der Trend ist, der vom Buena Vista Social Club ausgelöst wurde. Mit dem Erfolg von Wim Wenders" Film hatte übrigens keiner gerechnet, auch nicht die Fachleute im Marketing. Der Film und der Soundtrack waren kaum beworben worden, der Erfolg war eine reine Entscheidung des Publikums, durch die kubanische Musik dann allgemein sehr gut lief. Demnächst erscheint eine neue Doppel-CD, die vom Label bereits professionell mit häppchenhaften Auszügen bei den Journalisten beworben und eingeführt wird. Diese Professionalität ist der Weltmusik-Branche ungewohnt. Die Infos, die die Journalisten erreichen, sind nicht selten unfreiwillig zum Brüllen komisch, vieles kann gar nicht ernst genommen werden.

 

Wie sieht es in anderen europäischen Ländern aus" Theurer betreibt ein Netzwerk von Worldmusic-Rundfunkautoren und Journalisten. Sie stellen sich die Frage, wer was am häufigsten auflegt und erarbeiten daraus ein Ranking. Daher hat Theurer einen gewissen Überblick. Es gibt ein Programm wie Radio Multikulti in dieser Forum nur noch in Griechenland. In Frankreich und Großbritannien arbeiten Sender, die Weltmusik ins Programm bringen, aber einen anderen Zugang haben. Sie senden die Musik von Communities, die sie direkt ansprechen wollen. In Schweden, so Theurer, dümpelt ein Digitalkanal vor sich hin, in Finnland sind die Weltmusiksendungen weitgehend aus den Programmen gefallen. In England versuchte man, asiatische Formate auf einem Kanal zusammenzufassen, doch erreichten die Programmmacher das Publikum kaum und die Autoren traten sich gegenseitig auf die Füße. Es gab für die Weltmusik sehr viel bessere Zeiten. Lemke pflichtet Theurer bei.

 

Werner Fuhr sieht es nicht ganz so pessimistisch. Er verweist auf das Festival der European Broadcasting Union, zu dem jede beteiligte Rundfunkanstalt einen Künstler oder ein Ensemble entsendet. Zusammen gereiht ergab das oft ein Festival von mäßiger Stringenz, doch ein interessantes Bild vom europäischen Tun im Rundfunk. 2008 hingegen witterte man Morgenluft. Die Entwicklung in Osteuropa etwa findet Fuhr interessant. Sie verlief besonders in Polen positiv. Der polnische Rundfunk richtete eine gut ausgestattete Redaktion mit einem Produktionszentrum für Weltmusik ein. Die Radiomacher versuchen dort das wahrzunehmen, was wirklich aus dem Lande kommt.

 

Ist das Internet ein Hoffnungsträger" Lemke sieht Möglichkeiten vor allem für kleine Musikergruppen, sich mit anderen auszutauschen. Und professionelle Musiker nutzen das Internet für Kooperationen. Diese stellen aber eher eine Beschleunigung der Kooperationsmöglichkeiten dar, die schon zuvor bestanden. Theurer erkennt einen großen Vorteil für Musiker, die beispielsweise in Afrika produzieren und zu europäischen Medien nur einen Link zu einem Audiofile versenden. Diese Möglichkeiten werden gut genutzt.

 

Aber das Netz verdirbt auch die Loyalitäten des Nutzers gegenüber der Musik. Die Rundfunkseite hat die Veränderung im Rezeptionsverhalten lange nicht verstanden. Die Interessenten browsen sich durch das Netz, suchen eher ungezielt, brauchen die Funde auch nicht einsortieren, weil alles verfügbar bleibt. Dieses Verhalten prägt generell auch die Verbreitungsmöglichkeiten von Musik.

 

Auch uralte Aufnahmen, die nicht mehr greifbar waren, tauchen zu Theurers Freude als Angebote im Internet wieder auf. Der Rundfunk kann aber nicht mehr für einen Tonträger eintreten, die Leute werden allenfalls zum Podcast-Download animiert. Fuhr sieht das Internet als einen zusätzlichen Bereich, der bearbeitet werden muss. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat dafür aber kaum Mittel, es gibt rechtliche Hemmnisse und kaum Konzepte. Letztere müssen erst entwickelt werden. Fuhr sieht noch keinen Horizont, auf den das Ganze zusteuert.

 

Ulli Langenbrinck schlägt vor, das Internet guerilla-taktisch für das Marketing zu nutzen, und sieht darin eine Chance für wirtschaftlich kleine Unternehmen. Theurer kann nicht recht erkennen, was guerilla-taktisch auszurichten wäre. Es bleibt so, dass dann, wenn man sich Mühe gibt, man im Internet alles umsonst erhält. Deshalb ist die Nutzung des Internets als Vertriebsweg mit Einnahmen für kleine Anbieter kaum möglich. Theurer geht davon aus, dass das Professionalisierte in der Musik durch das Internet wieder zurückgehen wird, viele Menschen werden irgendwie Musik machen, aber nur ganz wenige werden davon leben können.

 

Wenn die Präsenz globaler Musik in den Medien also recht mager und am ehesten noch im Radio gegeben ist, was muss sich dann ändern" Theurer wünscht sich eine andere Mediennutzung. Radio ist für die meisten nach wie vor etwas zum "Plärren" im Hintergrund. Diese Einstellung müsste man ändern, um die Präsenz von globaler Musik zu verbessern. Wenn viele sagen, ich möchte mehr von der anderen Welt kennenlernen, dann steigt das Interesse auch an globaler Musik. Trotz Olympiade herrscht über China, über die Kultur von 1,3 mill. Menschen, immer noch blanke Ahnungslosigkeit. Wenn daraus Neugier erwüchse, wäre alles besser. Doch Theurer ist selbst skeptisch. Fuhr plädiert dafür, dass bestimmte Ansätze weiterverfolgt werden müssen. Die Programme von Creole NRW sind ein guter Ansatz, auch in der Ausbildungssituation gibt es Positives. Die Musikhochschule Köln war einmal ein Bollwerk klassischer Musik, integriert aber heute neue Inhalte in die Studiengänge. Ensembles der Weltmusik können im Zuge ihrer Professionalisierung heute auch in der Kölner Philharmonie auftreten. Auch Uli Lemke sieht auch Creole NRW als einen Anlass, optimistisch in die Zukunft zu sehen. Im Jahre 2008 haben sich 74 Bands und Ensembles bei Creole NRW beworben, 21 hochkarätige Gruppen aus NRW, zusammen 120 Musiker, treten in den vier Tagen des Wettbewerbs im Dortmunder Solendo an. Doch wer wird berichten"

Robert v. Zahn

 

Foto: Uli Lemke, Ulli Langenbrinck, Johannes Theurer, Dr. Werner Fuhr im Solendo Dortmund. Landesmusikrat NRW

 

<link fileadmin user_upload stumpf weltmusik_panels_2008.pdf _blank>Berichte über die vier Podiumsdiskussionen zur musikalischen Vielfalt, 4.-7.9.2008 in Dortmund (PDF-Datei, 90 KB) ...