Im Rahmen eines Flötentags diskutierten Experten in einer Podiumsdiskussion in der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf über „JeKits im Alltag“. Bei dem vom Land Nordrhein-Westfalen finanzierten Programm „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ handelt es sich um ein kulturelles Bildungsprogramm in Grund- und Förderschulen, das in Kooperation von außerschulischen Bildungspartnern wie z. B. Musikschulen oder Tanzinstitutionen und den Schulen durchgeführt wird. JeKits hat drei alternative Schwerpunkte: Instrumente, Tanzen oder Singen.
Das JeKits-Programm hat drei wesentliche Ziele
1. Gemeinsames Musizieren und Tanzen: JeKits will Kindern Instrumentalspiel, Tanzen oder Singen als ästhetisches Erleben und Handeln und als soziale Praxis ermöglichen.
2. Kulturelle Teilhabegerechtigkeit: JeKits will möglichst vielen Kindern in Nordrhein-Westfalen den Zugang zu musikalischer bzw. tänzerischer Bildung eröffnen, unabhängig von ihren persönlichen und sozio-ökonomischen Voraussetzungen.
3. Impuls für die kommunale Bildungslandschaft: JeKits will die kommunale Bildungslandschaft mit einer systematisch gepflegten Kooperation von Schule und außerschulischen Bildungspartnern nachhaltig bereichern.
Im Rahmen des Flötentags diskutierten
Fine Mallus, Flötistin, Fachbereichsleiterin Holzbläser an der Folkwang-Musikschule Essen
Martin Theile, seit 2015 Fachberater bei der JeKits-Stiftung, Klarinettist, Dirigent
Prof. Werner Rizzi, Professor für Elementare Musikpädagogik an der Folkwang Universität der Künste in Essen
Moderiert wurde die Runde von:
Prof. Evelin Degen, Flötistin, Robert-Schumann-Hochschule
Ausweitung auf ganz NRW
Nachdem sich das JeKi-Programm – orientiert an der Kulturhauptstadt 2010 – neben einigen „Satelliten“ auf das Ruhrgebiet beschränkt hatte, war klar, dass alle im Landtag vertretenen Parteien eine Ausweitung auf das ganze Land wollten. Nach dem Regierungswechsel 2010 bemühte sich das zuständige Ministerium um eine landesweite Ausdehnung unter Beachtung der Schwächen des JeKi-Programms, jedoch mit den gleichen finanziellen Mitteln wie zuvor. Man kann sich die Dimensionen so klarmachen: Bei der Zielzahl von 1.000 Grundschulen stehen für jede teilnehmende Grundschule rechnerisch 10.000 € im Jahr zur Verfügung. So ist JeKits mit einigen Veränderungen (Schulen müssen sich nun bewerben, also wirklich wollen; Laufzeit des Programms wurde auf 2 Jahre verkürzt usw.) zustande gekommen.
Programm für künstlerisch-ästhetische Erfahrungen
JeKits ist kein Programm für Instrumentalunterricht im klassischen Sinne. Denn im Fokus stehen vor allem die künstlerisch-ästhetischen Erfahrungen des gemeinsamen Musizierens von Kindern in der Grundschule, die die Instrumente als Ausdrucks- und Gestaltungsmittel nutzen. Werner Rizzi merkt an, dass immer wieder zu hinterfragen ist, was genau diese „Begegnung mit dem Instrument“ bedeutet und welche – gerne auch breit gestreuten – Ziele das haben soll.
Größe der Instrumentalgruppen
Instrumentales Lernen in 6er-Gruppen wird von Fine Mallus als nicht zielführend betrachtet. Die Erwartungshaltung, ein Instrument zu lernen, um damit im Orchester zu spielen, kann so oft nicht erfüllt werden. Martin Theile legte dar, dass JeKits keine 6er-Gruppen vorgibt, sondern lediglich die maximale durchschnittliche Gruppengröße mit 6 Kindern festlegt. Die 6er-Gruppe stellt die Gruppengröße dar, bei der der Instrumentalunterricht finanziell auskömmlich ist, so durch Elternbeiträge und durch Zuschüsse der JeKits-Stiftung bei Sozial- oder Geschwisterermäßigungen. Der Begriff „Orchester“ steht bei JeKits für eine vielfältige Musizierpraxis, die in Korrespondenz mit den lokalen Rahmenbedingungen steht und in den unterschiedlichsten Besetzungen, Stilrichtungen und Formen des Zusammenspiels stattfinden kann.
Fine Mallus wandte ein, dass Blockflöte und Querflöte nicht gemeinsam unterrichtet werden sollten, nur um eine bestimmte Gruppengröße zu gewährleisten. Auch bei anderen als verwandt gesehenen Instrumenten sollte dies im Einzelfall immer genau überlegt werden.
Kooperation mit der Schule und Verhältnis zum schulischen Musikunterricht
Schulischer Musikunterricht und die entsprechenden Fachlehrkräfte sind unumgänglich, sie können durch JeKits-Unterricht und Musikschullehrkräfte nicht ersetzt werden und umgekehrt. Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Grundschule sowie die Vernetzung von Musikschule und Grundschule sind wesentlich für den Erfolg von JeKits. Oftmals gelingt es Grundschulen nicht, genügend Klassenräume der Schule für den Instrumentalunterricht der Musikschulen zur Verfügung zu stellen – insbesondere mit Blick auf die Anschlussangebote nach JeKits.
Bezahlung der Lehrkräfte
Die Bezahlung von Musikschullehrkräften, somit auch die von JeKits-Lehrkräften, ist im Vergleich zu den Grundschullehrkräften teilweise wesentlich geringer – und das bei gleichwertiger Tätigkeit. Fine Mallus wünschte, dies anzupassen.
Gemeinsame Planungszeiten der Lehrkräfte
Da die Musikalische Grundstufe eine Hinführung zum Instrumentalunterricht ist bzw. sein sollte, wird eine bessere Vernetzung und Kooperation zwischen Grundschule und Musikschule benötigt. Fine Mallus forderte, dass JeKits-Lehrkräfte und Grundschullehrkräfte mehr gemeinsame Besprechungszeit für den Tandemunterricht zur Verfügung haben. Martin Theile merkte hierzu an, dass das JeKits-Programm eine wesentliche Änderung zu JeKi mit sich gebracht habe, denn es stelle den Lehrkräften der außerschulischen Bildungspartner mit der sogenannten Koordinationspauschale zusätzliche finanzielle und somit zeitliche Ressourcen für strukturierte Planungsbesprechungen zur Verfügung.
Flexibilität des Programms und individuelle Angebote vor Ort
Werner Rizzi plädierte dafür, das Programm so anzulegen, dass jeder Schule individuelle Angebote gemacht werden können. Die Grundschulen haben je nach Klientel sehr unterschiedliche Bedürfnisse. An manchen Schulen kennen die Kinder aus ihren Elternhäusern schon Instrumente und sind so situiert, dass ein Instrumentalunterricht ohne Landesförderung möglich wäre. An Schulen, deren Kinder regelmäßig weniger Unterstützung durch das Elternhaus erfahren, bräuchte es sehr viel mehr finanzielle Unterstützung, um die Kinder z. B. auch beim Üben und der Instrumentenpflege zu begleiten. (Beispiel: Übehaus Kray in Essen-Kray)
Werner Rizzi führte weiter aus, dass jedes Programm solcher Art das Problem hat, dass einerseits gewisse Standardisierungen u. a. aus Vergleichbarkeits-, Gerechtigkeits- und Kontrollierbarkeitsgründen notwendig sind und sie ein Programm als solches erst erkennbar machen. Andererseits sind die Verhältnisse, Voraussetzungen und Gegebenheiten in den jeweiligen Stadtteilen und Schulen so extrem unterschiedlich, dass eine Top-Down- Vorgabe, die nicht genügend Flexibilität an Alternativen zulässt, zuweilen nur sehr bedingt funktionieren kann.
Kulturelle Teilhabegerechtigkeit auch nach Ablauf der JeKits-Förderung
Kinder aus sozial schwachem Umfeld haben oft keine Möglichkeit, zu Hause zu üben, und brauchen Unterstützung. Die Praxis zeigt, dass sie aufgrund des lediglich zweijährigen JeKits-Programms danach leider oftmals aufhören und sich nicht zu Musikschulangeboten anmelden. Die Kinder, die nach JeKits 2 weiter ein Instrument lernen möchten, müssen die Möglichkeit dazu bekommen. Die Förderung bei JeKits beträgt nur ein Instrumentaljahr, beim Vorgängerprogramm JeKi waren es drei Jahre.
Die Diskussion fand am 1. Mai in der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf statt.
(Evelin Degen)