Die Corona-Pandemie hat die schwierige soziale Lage vieler Künstlerinnen und Künstler drastisch verdeutlicht. Die zuständigen Länder sind alarmiert. Die Suche nach dauerhaften Lösungen steht prominent auf der Agenda der Kulturministerkonferenz, wie der zum Jahreswechsel scheidende Vorsitzende des Ländergremiums, Berlins Kultursenator Klaus Lederer, und seine turnusgemäße Nachfolgerin, die nordrhein-westfälische Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, der DPA in Berlin sagten.
«Eine Lehre aus Corona ist für mich: Das darf uns so nie wieder passieren, dass man quasi aus der Hüfte geschossen Unterstützungsprogramme entwickeln muss», sagte NRW-Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen. Deswegen sei daraus die grundsätzliche Frage der sozialen Absicherung für freie Künstlerinnen und Künstler geworden. «Wir haben uns schon längere Zeit das große Thema der sozialen Absicherung von freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern vorgenommen. Denn diese haben unter der Pandemie am meisten gelitten, weil ihnen praktisch über Nacht alle Aufträge weggebrochen sind.»
Pfeiffer-Poensgen kündigte an, dies zum Schwerpunkt ihres zwölfmonatigen Vorsitzes zu machen. «Wir haben das langfristige Ziel, wirklich eine sozialversicherungspflichtige Absicherung hinzubekommen. Das ist kompliziert.» Aktuell würden mit einem Gutachten rechtliche Konzeptionen ausgelotet.
Ein Weg könnte über die Künstlersozialkasse führen, die ein sehr gutes System biete, aber auch Schwachstellen habe. «Wir wollen dazu beitragen, dass Künstler auch mal in eine Versicherung einzahlen oder Rücklagen bilden können, um eine kürzere Durststrecke zu überwinden.» Sie gehe von einem überparteilichen Willen aus, «die soziale Situation der Künstlerinnen und Künstler wirklich zu verbessern».
Lederer sieht dabei auch Kooperationsbedarf zwischen Ländern und Bund: «Bei der sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler haben wir auch Erwartungen an die neue Bundesregierung, was das Zurückfahren von prekärer Arbeit im Kulturbereich betrifft.» Zugleich unterstrich der Linke-Politiker bei der Kulturförderung Zuständigkeit und Länderkompetenz in der Kulturpolitik. «Die Frage ist, wie die Fördertätigkeit des Bundes in einem Bereich funktionieren kann, bei dem er verfassungsmäßig keine Zuständigkeit hat, bei Länderhoheit und Kulturföderalismus», sagte Lederer.
«Der Bund hat in den vergangenen Jahren erhebliche zusätzliche Mittel bereitgestellt, was man positiv für den Kultursektor sehen kann und seine gewachsene Bedeutung», sagte er. «Es gibt aber eine zunehmende Tendenz, in weite Bereiche der Länderkompetenz einzugreifen, indem nur temporär Förderungen ausgereicht werden, eine Kofinanzierung der Länder erwartet wird, was die Spielräume für eigene Schwerpunktsetzung bei den Ländern verkürzt.»
Nach einer bestimmten Zeit werde die Förderung dann eingestellt. «Und die Länder müssen sehen, wie sie mit den Ergebnissen dieser angeförderten neuen Strukturen umgehen», sagte Lederer. «Da ist es misslich, wenn die Länder vorher, bei der Absprache über gemeinsame Förderschwerpunkte, überhaupt nicht beteiligt worden sind.»
Er warnte: «Wir müssen aufpassen, dass daraus kein paternalistischer Verteilungsmechanismus wird, ohne dass damit dauerhafte strukturelle Verbesserungen der Kulturszene verbunden sind.» Dann wäre es ehrlicher, über die Frage zu diskutieren, ob Kulturförderung eine kooperative Aufgabe von Bund und Ländern sein solle. «Dann aber mit allen Konsequenzen, also mit der Verantwortung des Bundes, angefangene Projekte auch dauerhaft abzusichern», sagte er.
Auch Pfeiffer-Poensgen sieht Arbeit im Verhältnis von Bund und Ländern. «Beim kooperativen Kulturföderalismus, also der praktischen Zusammenarbeit von Bund und Ländern, gibt es aus meiner Sicht noch Verbesserungspotenzial.» Dazu möchte sie zum Jahresbeginn mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) beraten, «damit wir uns hier im gegenseitigen Interesse wirklich optimal ergänzen».
Das sei nicht einfach, aber wichtig. «Die Länder haben verfassungsrechtliche Kompetenzen im Kulturbereich», betonte die Ministerin. «Die unterschiedliche kulturelle Ausprägung in den verschiedenen Landesteilen - etwa hier in Nordrhein-Westfalen - ist aus meiner Sicht eine große Stärke. Für die Menschen, die da leben und sich damit identifizieren, ist das sehr wichtig.»
Es müsse Anspruch sein, die Kultur in ländlichen Räumen zu erhalten und zu stärken. Sie wolle darüber sprechen, wie dafür durch Programme neue Anreize geschaffen werden könnten. «Wir haben in Deutschland zweifellos viele gute zentrale Angebote, aber in der Fläche müssen wir das noch verbessern.»
Die Kulturverantwortlichen sehen allerdings die Gefahr von Einsparungen wegen der Kosten der Corona-Krise. «Kommunen und Städte müssen wieder Handlungsspielräume bekommen», sagte Pfeiffer-Poensgen. «Gleichzeitig hat es solche Kämpfe immer gegeben, weil es eben auch eine Frage der politischen Auseinandersetzung in der Kommune ist.» Am Ende werde in der Kommune entschieden, wofür das Geld ausgegeben werde. «Man muss diese Debatte vor Ort führen und das heißt eben auch, dass man auch als Kulturdezernent in die Arena muss.»
Die Kulturministerkonferenz befasst sich seit Anfang 2019 mit Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung. Ziel ist Meinungs- und Willensbildung der Länder und die Vertretung gemeinsamer Anliegen gegenüber dem Bund. Das Gremium arbeitet unter dem Dach der Kultusministerkonferenz, berät und entscheidet aber eigenständig. Reguläre Treffen sind zweimal jährlich im Frühjahr und im Herbst.
nmz.de/kiz