Erstmals seit sechs Jahren verzeichnet der Kulturhaushalt für Nordrhein-Westfalen Kürzungen. Das ist nicht nur enttäuschend angesichts einer im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung angekündigten Steigerung von fünfzig Prozent, es bereitet auch große Sorgen um die weitere Entwicklung des Kulturstandortes Nordrhein-Westfalen.
Deutliche Reduktion des prozentualen Anteils des Kulturetats am Gesamthaushalt
Bei einem auf 101,9 Milliarden Euro gestiegenen Gesamthaushalt des Landes, wie er für 2024 geplant ist, macht der Kulturetat inzwischen nur 0,31 Prozent aus. Die nun avisierte Kürzung lässt den Kulturetat nicht nur unter den absoluten Wert bei Regierungsübernahme 2022 sinken, sondern reduziert den prozentualen Anteil am Gesamthaushalt, der in den beiden Vorjahren bei 0,36% und 0,34 % lag.
Trotzdem versucht die Landesregierung Entwarnung zu geben. Die geplante Kürzung könne allein aus Rücklagen der sogenannten „Stärkungsinitiative“ realisiert werden. Aber kann deshalb von Entwarnung die Rede sein? Wir glauben nicht. Die tatsächliche Gefährdung für die zukünftige Förderung der Kultur in NRW ist im Haushaltsentwurf nicht ersichtlich.
Drohende Folgen für die Kulturszene in Nordrhein-Westfalen
- Obwohl die einzelnen Titelansätze im Haushaltsentwurf nominell gleichbleiben, sind faktische Kürzungen aufgrund von allgemeiner Inflation, erheblicher Kostensteigerungen (z.B. Energie) und Tariferhöhungen unausweichlich.
- Zwar wird von der Kulturministerin eine Unterstützung bei Lohnsteigerungen angekündigt, allerdings spricht sie dabei nur von institutionell geförderten Einrichtungen. Diese Eingrenzung hätte zur Folge, dass die Diskrepanz zwischen institutionell geförderten Einrichtungen und der oftmals projektbasierten Freien Szene noch weiterwächst
- Die Freie Szene in NRW verzeichnet einen deutlichen Aufschwung. Der Standort ist in den letzten Jahren gerade in Konkurrenz zu Berlin deutlich attraktiver geworden. Ein klarer Indikator dafür ist die stark gestiegene Bewerbungslage in den meisten Landesprogrammen sowie u.a. bei der Kunststiftung NRW. Diese Entwicklung droht nun abzubrechen.
Unsere Erwartungen und Vorschläge:
- Der Ausfall der versprochenen Erhöhungen von fünfzig Prozent in der Legislatur ist enttäuschend. Dass nun sogar eine Kürzung des Kulturhaushaltes ansteht, erschüttert das Vertrauen der Kulturszene. Um weiter an die Wertschätzung der Landesregierung glauben zu können, sollten zumindest die aktuellen Kürzungspläne aufgegeben werden. 7 Mio. Euro machen weniger als 0,007% des Gesamthaushaltes aus. Diese Lücke sollte bei etwas kulturpolitischem Gestaltungswillen überwindbar sein.
- Wir fordern große Sensibilität für die Verletzlichkeit der Freien Szene! Im Rahmen von konzeptionell begründeter Förderung sollte ein Zusatzkriterium „Vulnerabilität“ eingeführt werden. Es muss unbedingt vermieden werden, dass förderwürdige Initiativen und Projekte durch gekürzte Budgets um ihre Existenzfähigkeit gebracht werden. Wenn schlimmstenfalls tatsächlich gekürzt werden muss, dann da, wo es strukturell aufgefangen werden kann.
- Etwaige Ausgleichzahlungen für Lohnsteigerungen für angestellte Mitarbeiter*innen müssen in allen Förderszenarien gewährt werden. Eine Benachteiligung von Angestellten in Projektförderungen der Freien Szene ist nicht akzeptabel.
Wir leben in Zeiten großer gesellschaftlicher Verunsicherungen und Verwerfungen. Kunst und Kultur sind unverzichtbarer Bestandteil gesellschaftlicher Verständigung.
Ihr Erhalt und ihre Förderung sind keine Belastung der Gesellschaft, sondern eine Investition in den kreativen und lebendigen Austausch über ihre verbindenden Grundlagen.
Lorenz Deutsch
Vorstandsvorsitzender Kulturrat NRW