Wirtschaftsministerin Mona Neubaur eröffnete die NRW Music Conference am 26. Oktober 2022 im Kölner Stadtgarten. Sie würdigte die musikalischen Leistungen der Preisträger‘innen des popNRW-Preises vom Vorabend, Albi X und Liser, und zeichnete gleichzeitig ein klares Bild der Problemlage der Branche, von der die Musiker‘innen abhängig sind. Das Wirtschaftsministerium stütze, wo es kann, doch die einander überlagernden Krisen erschwerten ein punktgenaues Arbeiten. Das große Ziel müsse es bleiben, die Impulse zur Nachhaltigkeit aus der Branche zu stärken: „Wir müssen Nachhaltigkeit zum Geschäftsmodell machen.“ Vernetzung wie hier in der NRW Music Conference ist für sie ein gelungener Schritt auf diesem Wege.
40% der Beschäftigten sind aus der Branche Musikwirtschaft abgewandert, berichtet die Journalistin Ina Plodroch. Was kann die Politik dagegen tun? Neubaur sah einen Ansatzpunkt in der Kostensenkung. Hier könne Politik tätig werden und zwar nicht nur im Bereich der Energie. Arbeits- und Fachkräfte können durch Maßnahmen zurückgewonnen werden, die Sicherheit bieten. In der Coronakrise hat die Politik die freien nicht-künstlerischen Kräfte der Musikwirtschaft lange Zeit vergessen, bestätigt Neubaur, das müsse korrigiert werden und der Bundesarbeitsminister habe das im Blick.
Moderatorin Daniela Ammermann sprach die Schutzbedingungen in der Coronakrise an. Viele wirken sich auch in der Musikwirtschaft sehr hinderlich aus. Neubaur sah ein enges Monitoring der Maßnahmen als wesentlich an. Immer müssen man prüfen, welche Schutzmaßnahme kompensatorische Hilfen erfordern. Die Popbranche in NRW hat für die Wirtschaftsministerin einen hohen Stellenwert, die Arbeitskräfte hinter den Bühnen zumal. Norbert Oberhaus, c/o pop, berichtete über das Jobfestival in der c/o pop vom April 2022, das Impulse zur Reaktivierung der Branche und ihres Arbeitsmarkts ausstrahlte. Wie schwierig die Situation der Branche aber auch durch die Zurückhaltung des Live-Publikums und durch die Preisentwicklung geworden ist, davon zeichneten in einem Panel-Gespräch Frank Kühl, AnnenMayKantereit GmbH, Mankel Brinkmann, Klubkomm Köln, Dorette Gonschorek, Popboard NRW, und Daniela Ammermann ein detailreiches Bild.
Die Konferenz ging in mehreren Panels den Herausforderungen der Popbranche und der Musiker’innen selbst nach. Besonderes Augenmerk galt den Förderansätzen. Kulturförderung des Landes ging an der Popmusik über Jahrzehnte hinweg vorbei. In den letzten Jahren und zumal in der Coronakrise hat sich auf beiden Seiten das Bewusstsein dafür verändert. Das Kulturministerium half den Clubs in der Krise mit zwei Förderprogrammen, das Kulturgesetzbuch für Nordrhein-Westfalen sieht seit Anfang diesen Jahres explizit Popförderung als Teil der Kulturförderung, und der aktuelle Koalitionsvertrag nimmt diese Aufgabe an. Die Landesregierung hat dabei in der Popboard NRW gUG eine neue Gesprächspartnerin, getragen von neun Gesellschaftern, darunter der Landesmusikrat NRW, die c/o pop und die Clubvereinigung LINA.
Carsten Schumacher, Projektleiter von create music NRW/Landesmusikrat NRW, moderierte dazu eine Runde mit Katja Lucker vom Musicboard Berlin, Peter Stark von create music NRW, Ella Rohwer, Vorstandsmitglied bei Pro Musik, und Thomas Baerens vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW. Ella Rohwer forderte eine langfristige und systematische Landesförderung für Pop in NRW nach dem Vorbild der Förderung Neuer Musik. Peter Stark schilderte, wie hoch der Förder- und Beratungsbedarf der Szene ist, die Anträge an Create Music NRW stellt. Viele sind mit dem Wesen von Förderung gar nicht vertraut. Die finanziellen Grenzen sind eng, viele Bands fallen aus dem Raster der Förderbedingungen. Carsten Schumacher regte eine stärkere Verzahnung von Landes- und kommunaler Förderung an.
Gibt es denn eine Lücke zwischen Breiten- und Spitzenförderung?, fragte Moderator Schumacher. Und in der Tat fielen Lücken in den Blick, für Stark vor allem im Bereich der Amateurmusik, bei denen den Handlungsbedarf bei der Landesförderung sah. Für den Bedarf an Förderung von professionellen Musiker'innen sieht er die Initiative Musik in Berlin als zuständig an. Thomas Baerens möchte seitens der Landesförderung das Musikleben in der Tat in seiner ganzen Breite fördern, er bekannte aber auch, dass die Hauptakteure eigentlich die Kommunen seien. Sie tragen und unterstützen den Großteil des öffentlich geförderten Kulturlebens. Baerens wirkte bei einem Fünf-Stufen-Plan der Popförderung mit, der beim Landesmusikrat entstand und sieht davon einige Stufen zwischen Graswurzel-Förderung und Band-Export realisiert. Create Music NRW bietet ersteres, popNRW letzteres, doch die finanzielle Ausstattung sorgt zwangsläufig für Lücken. Der regionale Proporz sei schwierig, weil oft mehr als die Hälfte der Anträge aus Köln kommen. Die anderen Regionen klagen oft darüber. Wie kann man dann die Förderangebote besser synchronisieren? Baerens spricht oft mit Till Kniola vom Kulturamt der Stadt Köln, er kann jedoch schlecht mit allen Förderern sprechen.
Katja Lucker vom Musicboard Berlin mahnte das offensive Diskutieren von Etat-Größen an. Das Musicboard Berlin startete mit einer Million Euro und ist jetzt bei 5,5 Millionen. Die Ressource ist für den Standort und dessen Popbranche notwendig. Grundsätzlich sind Ressourcen auch in NRW da: Im Koalitionsvertrag steht für die Legislatur immerhin ein Aufwuchs von 50% des NRW-Kulturetats, das kann die Popförderung voranbringen. Baerens sieht beim Popboard NRW die Aufgabe, entsprechende Förderkonzepte zu entwickeln.
Neben den Herausforderungen durch Krisen und neben der Förderkoordination rückte auch verstärkt die Notwendigkeit in den Blick, dass Nordrhein-Westfalen seine Qualitäten der Popmusik auch außerhalb der Grenzen präsentieren muss. Pop lässt sich exportieren und ein Panel der NRW Music Conference stellte die Frage: Should I stay or should I go? Ralph Christoph von der c/o pop moderierte dabei eine Runde mit Thomas Baerens, Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, der Künstlerin Mariama Jalloh, der Referentin des Förderprogramms popNRW Linn Meissner, Philipp Jacob-Pahl von Budde Talent Agency und der Künstlerin Brenda Blitz.
Die Künstlerin Mariama Jalloh kennt das Phänomen gut, dass eine Künstlerin in einer Stadt viel gilt, doch nur kurz hinter den Stadtgrenzen kaum bekannt ist. Hilfe bei der Ausweitung des Wirkungsgrads ist vielen sehr willkommen. Linn Meissner vom Förderprogramm PopNRW des Landesmusikrats, ist eine derjenigen, die Popbands auf internationalen Festivals vorstellt. Sie stellte ihre Arbeit vor. Sie beteiligt sich an German Showcases, koordiniert von der Initiative Musik, bei denen jedes Bundesland eine Band entsendet. Das Konzept lautet: Regional beginnen und dann den Radius in die Nachbarländer hinein erweitern. Philipp Jacob-Pahl sah diese Showcases als schwierig an, weil das Publikum wisse, dass die Zusammenstellung des Programms nach anderen Kriterien als musikalischen erfolgt. Man könnte das Geld anders einsetzen. Es sei vielleicht besser, Fachpublikum aus dem Ausland gezielt anzulocken.
Philipp Jacob-Pahl begründete seine Zweifel am Sinn einer Exporthilfe auch mit der These, dass dann, wenn eine Band in ihrer Stadt konsequent volle Säle habe, die Experten der Branche schon von allein kämen. Linn Meissner kennt die Aussage, ‚bau erst mal deine Fanbase auf, dann kommt die Branche‘ gut, blieb aber skeptisch. Sinnvoll wäre es, frühzeitig zu unterstützen. Profitieren die Teams der Bands von dem Export? Oft nicht, führte Brenda Blitz aus, der Export sei auf die Künstler ausgerichtet, die Förderhonorare für das Team fielen schmal aus. Linn Meissner vermisste in NRW Förderung für Strukturequipment, Busse für Touren etc. Thomas Baerens schlug vor, dass Pools mit Equipment Tourvorhaben erleichtern könnten. Er sah vor allem in der föderalen Struktur Deutschlands ein Problem für effektiven Export. Wenn Bundesland für Bundesland exportiere, wären die Präsenzen doch eher klein und wenig systematisch fördernd.
Die Diskussionen der NRW Music Conference formulierten sehr klar, wie existenziell Popleben und -branche derzeit herausgefordert sind. Sie zeigten aber auch, dass die Bereitschaft zu Dialogen auf Seiten der Landesregierung größer ist als noch vor Jahren und dass durch Kulturgesetzbuch und Koalitionsvertrag der Regierungsparteien finanzielle Unterstützungen verhandelbar sind, die substanziell helfen könnten.
rvz
Fotos: Mona Neubaur bei der NRW Music Conference; Frank Kühl, Mankel Brinkmann, Dorette Gonschorek und Daniela Ammermann bei der NRW Music Conference; Peter Stark, Carsten Schumacher, Ella Rohwer, Thomas Baerens und Ralph Christoph; Thomas Baerens, Mariama Jalloh, Linn Meissner, Philipp Jacob-Pahl, Brenda Blitz und Ralph Christoph. Norbert Oberhaus im Gespräch im Daniela Ammermann. Katja Lucker, Peter Stark, Carsten Schumacher, Ella Rohwer und Thomas Baerens. Fotos: LMR NRW.