Die Landesmusikakademie NRW möchte gemeinsam mit den Verbänden der Arbeitsgemeinschaft Laienmusik des Landesmusikrates NRW junge Menschen ermutigen, in Vereinen Verantwortung zu übernehmen. Unter dem Motto „Traut Euch!“ sollen einerseits neue Aktive gewonnen werden, andererseits vorhandene Vereinsvertreterinnen und -vertreter Anregungen erhalten, originelle Wege des Vereinsmanagements zu gehen, um jugendlichen Nachwuchs zu gewinnen und neue Impulse für die alltägliche Arbeit zu bekommen.
Am Samstag, dem 16. Mai 2020 fand hierzu der erste Online-Workshop dieser Reihe mit dem Titel „Neue Wege im Ehrenamt - Vereinsarbeit als Zukunftsmodell“ statt. Als Dozent konnte Matthias Laurisch von der Deutschen Bläserjugend gewonnen werden. Obgleich für viele Teilnehmende zu dem Zeitpunkt noch ein überwiegendes Neuland, bot der Umbau dieses ursprünglich als Präsenzveranstaltung gedachten Workshops doch gleichzeitig eine gute Gelegenheit, neue Formen der Wissensvermittlung zu testen und kreativ mit den Möglichkeiten des digitalen Lernens umzugehen.
Die Inhalte des Workshops wurden auf zwei kompakte 90-minütige Einheiten sowie eine abschließende einstündige offene Diskussions- und Fallberatungssession verteilt. Teilnehmende aus diversen Musikvereinen und den hiesigen Verbänden der Amateurmusikszene NRWs nahmen das Online-Angebot wahr.
In der thematischen Hinführung stellte Matthias Laurisch das Modell des Kreislaufs der Ehrenamtskoordination vor, welches ursprünglich von der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschlands für Sozialverbände entwickelt und von ihm auf den Bereich der Amateurmusik hin angepasst und ergänzt wurde.
Das Themenfeld Image und Selbstverständnis dominierte im Anschluss die erste Arbeitseinheit. Hier plädierte Laurisch dafür, im Ehrenamt den Fokus zu weiten, da Musikvereine eben nicht nur als Orte des musikalischen Miteinanders fungieren, sondern als integrative Institutionen auch bedeutende soziale und kommunikative Aufgaben erfüllen. Seine Kernthese lautete: „Vereine der Amateurmusik haben eine eigene Organisationskultur und viele Vorgänge im Verein laufen ganz selbstverständlich und zum Teil unbewusst ab“. In der Konsequenz können sich viele Vereine nach außen nur unzureichend erklären und präsentieren, um potenziellen Mitgliedern die Attraktivität des Einstiegs in die Vorstandsarbeit zu verdeutlichen. In diesem Bereich gilt es also, die eigenen unbewussten Routinen zu analysieren, auf den Prüfstand zu stellen und die Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung richtig einzuschätzen. Die Kernaufgabe lautet, ein neues und positiv konnotiertes Selbstverständnis zu entwickeln. Für ein öffentlichkeitswirksames Selbstbild sind beispielhaft zu benennen: die Entfaltung von Alleinstellungsmerkmalen (Vereine brauchen Spezialisierung!), Elemente des Storytellings und die Fähigkeit, Emotionen zu wecken.
Die zweite Session behandelte Themenkomplexe von Freiwilligentypen, über Stellenbeschreibungen hin zu Anerkennungskultur. Gelingende Vorstandsarbeit scheitert häufig an dem Umstand, dass die Arbeits- und Tätigkeitsprofile nicht klar formuliert oder voneinander abgegrenzt sind. Ein weiteres Hindernis kann zudem die mangelnde Potenzialentwicklung der Mitglieder sein, weil Personen schlicht mit den falschen Tätigkeiten oder Arbeitsprofilen bedacht werden. Sehr erhellend in diesem Zusammenhang war der Bezug zum Riemannschen Kreuz. Das Modell des Psychoanalytikers Hugo Riemann beschreibt Menschen in ihrem Verhältnis zu Gruppen und Strukturen, indem es in einem Spannungsfeld aus Distanz, Wechsel, Dauer und Nähe verschiedene Grundtypen verortet und ein Verständnis für das jeweilige Gegenüber fördern soll. Dieses Schema eignet sich vortrefflich, die daraus resultierenden Idealtypen des/der Konzeptionierer*in, Motivator*in, Controller*in und des Arbeitstieres im eigenen Verein oder Vorstand zu erkennen und die Personen so einzusetzen, dass sich das maximale Potenzial in allen Beteiligten entfalten kann.
Die abschließende Diskussion ließ Gesprächsraum für die dringendsten Fragen und Bedürfnisse in der Vereinsarbeit seitens der Teilnehmenden. Das Thema Nachwuchsgewinnung im Hinblick auf eine schrumpfende Zielgruppe in Zeiten der Ganztagsschule und einer hochgradig ausdifferenzierten Freizeitkultur ist auch weiterhin das beherrschende Dauerthema. Zukünftige „Traut Euch!“-Veranstaltungen werden sich an den formulierten Wünschen der Teilnehmenden orientieren. Dienlich wären Workshops zu Methoden der Nachwuchsgewinnung, zum Miteinander und zur Entscheidungsfindung im Verein sowie zu inspirierenden Best-Practice-Modellen im Hinblick auf die Entwicklung neuer Vereinsstrukturen oder innovativer Kooperationsmodelle.
Die Teilnehmenden zeigten sich nach dem Workshop dankbar und bewerteten ihn als hilfreich und konstruktiv. Die digitalen Angebote bieten noch Entwicklungspotenziale hinsichtlich methodischer Finessen, um die Interaktion und Kommunikation mit und unter den Teilnehmenden zu vertiefen. Auch für die zukünftige Konzeption von Präsenzseminaren können begleitende und ergänzende Online-Angebote mittels Videokonferenz eine echte Bereicherung sein.
(Edin Mujkanović , Bildungsreferent Landesmusikakademie NRW)