Gleich vier Kulturpolitische Sprecher der Landtagsfraktionen hat die c/o pop Convention am 21. April im Kölner Herbrands zusammengebracht, um Perspektiven der Kulturpolitik nach der Landtagswahl zu diskutieren. Da bei geht es zumal um die Förderung der Popmusik in Nordrhein-Westfalen, bislang ein Stiefkind der Landeskulturpolitik. Seitdem sich neun Gesellschafter aus dem Musikleben zum PopBoard NRW zusammengeschlossen haben, darunter der Landesmusikrat NRW, der Verband unabhängiger Medienunternehmen West und die c/o pop selbst, gibt es aber intensive Dialoge zwischen Popleben und Kulturpolitik – und seit diesem Jahr auch eine substanzielle Landesförderung aus dem Kulturetat.
Kann diese Entwicklung nach der Landtagswahl fortgesetzt werden? Moderatorin Anja Backhaus nimmt die Herrenrunde in die Mangel und setzt mit hartnäckigen Fragen nach. Sie ist seit vielen Jahren in der Popszene verwurzelt und versucht gar nicht erst, neutrale Positionen einzunehmen. Andreas Bialas, Kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, erkennt eine bislang bestehende „Vorurteilsstruktur“ in der Kulturpolitik, die einer systematischen Förderung von Popmusik in NRW oft entgegenstand. Tatsächlich müsse man aber anerkennen, dass es auch hier Förderungs- und Regelungsbedarf gibt. Bernd Petelkau, Kulturpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, verweist mit Stolz auf die politische Entwicklung in der ablaufenden Legislaturperiode. Das Referat Kreativwirtschaft des Wirtschaftsministeriums fördert schon seit vielen Jahren die c/o pop und das Popförderprogramm popNRW des Landesmusikrats. Doch nun ist Popmusik nicht nur Gegenstand des Wirtschaftsministeriums, sondern auch des Kulturressorts. Sie ist im neuen Kulturgesetzbuch für NRW verankert und für das PopBoard NRW gibt es eine halbe Million.
Norbert Oberhaus, einer der beiden Geschäftsführer des PopBoards NRW, sieht in der Aufnahme des Pops in das Kulturgesetzbuch einen wichtigen Schritt. Die nächsten Schritte müssen nun folgen, die gesetzliche Selbstverpflichtung des Landes muss mit Leben gefüllt werden. Moderatorin Anja Backhaus weist darauf hin, dass das PopBoard NRW sogar im Wahlprogramm der NRW-CDU genannt wird. Lorenz Deutsch, Kulturpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, hat dazu viel beigetragen, doch im Wahlprogramm der FDP steht zum Pop wenig. Warum? Deutsch verweist darauf, dass das Programm Querschnittsthemen abhandelt, nicht Sparten. Deshalb darf das Fehlen des Pops nicht überbewertet werden. In der praktischen Kulturpolitik habe die FDP aber für den Pop viel erreicht. Nach der letzten c/o pop Convention hat ein gemeinsamer Antrag von FDP- und CDU-Fraktionen die ersten 300.000 Euro für das PopBoard NRW bereitgestellt.
Arnd Klocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen, unterstützte im Ausschuss für Kultur und Medien des Landtags den Kurs der Regierungsfraktionen in Bezug auf Pop, was für eine Oppositionsfraktion nun nicht selbstverständlich ist. Die Lage der Szene ist nach zwei Jahren Pandemie aus seiner Sicht problematisch. Die Unterstützungszahlungen während der Pandemie waren für die Szene schwierig, kamen spät und mussten oft zurückgezahlt werden. Er stimmt Oberhaus zu, die Selbstverpflichtungen im Kulturgesetzbuch sollten umgesetzt werden. Was zuerst?
Norbert Oberhaus setzt eine Priorität auf die Künstler’innenförderung, aber auch auf Nachwuchsförderung. Denn in der Nachwuchsförderung droht derzeit durch die Coronakrise eine Generation auszufallen. Auch die Popbranche als Struktur müsse in den Blick genommen werden. Die riesengroße Aufgabe werde es vor allem sein, setzt Bialas dem entgegen, die Finanzen für die Kultur insgesamt zu sichern. In NRW sorgen vor allem die Kommunen für das öffentlich finanzierte Kulturleben. Für diese werden aber die nächsten Jahre problematisch werden. Die SPD will den Landes-Kulturetat jährlich um 30 Millionen steigern, doch diese Millionen würden wirkungslos versickern, wenn die Kommunen ihren Teil der Förderung nicht halten können. Die Förderung müsse sich auf Strukturen richten, weniger auf Projekte.
Anja Backhaus sieht Ungleichgewichte in der Kulturförderung. Die Clubs erhalten 200.000 Euro Landesförderung jährlich insgesamt, Theater und Orchester hingegen 50 Mill. Euro. Wo ist da die Wertschätzung? Bernd Petelkau räumt ein, dass es in der Vergangenheit große Ungleichgewichte gab, dass diese aber sukzessive abgebaut werden. Benötigt würden vor allem Änderungen im Baugesetzbuch zugunsten der Clubs. Wertmaßstäbe von Kurstädten seien in Köln falsch angelegt. Nachwuchsbands benötigen Proberäume, darum kümmere sich die Kölner Kommunalpolitik jetzt.
Anja Backhaus führt zurück zur Landespolitik: Die Lärmemissionsregelungen sollten geändert werden, doch die Landesregierung habe sich dagegen entschieden. Bernd Petelkau will gleichwohl eine Veränderung vornehmen, der urbane Raum müsse im Emissionsschutz stärker berücksichtigt werden. Arnd Klocke sieht als entscheidende Frage: Kriegt man es hin, über die Landesbauordnung und über Milieu-Schutz die Interessen von Wohnungsbau und von Viertelschutz miteinander auszugleichen. Über die TA Lärm (Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm)müsse mit drei Ressorts auf Bundesebene gesprochen werden.
Andreas Bialas fordert, Prioritäten zu setzen. Bei solchen Interessenkonflikten seien Kompromisse und letztlich auch Verlierer unabdingbar. Das Bedürfnis von Wohnenden und das Bedürfnis von Clubs werde langfristig oft nicht überein gebracht werden können. Das gelte auch für Wohnende und Stadien etc. Anja Backhaus hält dem entgegen, dass man Investoren dazu verpflichten kann, für Lärmschutz zu sorgen. Bernd Petelkau kann sich das als Förderbedingung vorstellen, man könne auch die Clubs bei entsprechenden Vorrichtungen fördern. Die Popkultur in Ehrenfeld sei Teil der Urbanität.
Klocke sieht die Prinzipien der Höchstpreisvergabe und der Konzeptvergabe von Baugrundstücken gegeneinander gerichtet: Wenn ich Grundstücke ausschließlich nach Höchstpreis vergebe, wird keine Kulturinstitutionen mithalten können. Das aber sei die Politik von Landesministerin Scharrenbach. Bernd Petelkau weist auf Bebauungspläne als steuerndes Element hin. Auch könne man Vorkaufsrechte einräumen: Wir können aber nicht verhindern, dass ein privater Investor Höchstpreise zahlt. Andreas Bialas sieht auch in Ehrenfeld ein Gegeneinander von Wohnungsbau und Club-Arbeit. Kann es da nicht eine einheitliche Regelung auf Landesebene geben? Oder kann man einen Kulturschutzraum etablieren? Wer Raum nimmt, muss finanziell entsprechend kompensieren, so Anja Backhaus. Petelkau nennt das Beispiel ehemaliger Industriegebiete. Da kann die Stadt frühzeitig Clubs schützen, bevor die großen Gebote der Investoren kommen. Das Land könne die Stadt dabei finanziell begleiten, auch in Hinsicht des Lärmschutzes und der Mobilität.
Anja Backhaus fragt nach den Fördermitteln und nach der Möglichkeit einer Umverteilung. Deutsch möchte keine Umverteilungsdiskussion führen, weil es danach meist mehr Beschädigte als Beglückte gebe. Er verweist auf die Aufwuchsbeträge für den Kulturhaushalt in den vergangenen Jahren. Das PopBoard erhält jetzt 500.000 Euro und das könne auch in Richtung einer Million gehen. Wieso war das bisher nicht auf dem Schirm? Die Konstellationen haben sich verändert, in früheren Phasen der Popkultur haben viele Geschäftsmodelle noch funktioniert und der Ruf nach öffentlicher Förderung war nicht so laut, so Deutsch. Das hat sich geändert. Passgenauigkeiten zwischen Wirtschaftsförderung und Kulturförderung müssen noch verbessert werden. Anja Backhaus verweist darauf, dass das Musicboard in Berlin 1,5 Mill. Euro erhält für eine Bevölkerung, die ein Drittel von NRW ausmacht. 2.700 Musikunternehmen gibt in NRW. Diese Struktur müsse gestützt werden.
Norbert Oberhaus hat einen Wunsch an die Landespolitiker: Der nächste Haushalt muss Pop substanziell fördern. Er ist optimistisch, dass das gelingt, ganz gleich, welche Koalition die nächste Regierung ausmacht. Das PopBoard NRW will bis dahin zeigen, was für ein Schatz an Popkultur in NRW existiert.
Robert v. Zahn