Die Probleme des Lebens von Musik sind so vielfältig geworden, dass sich eine stringente politische Strategie zu ihrer Lösung nur schwer entwickeln lässt. Nachdem die Delegierten und Gremien des Landesmusikrats NRW drei Jahre lang diese Probleme als Themenschwerpunkt des Dachverbands untersucht haben, zog eine Diskussionsrunde am 27. August 2022 in der Stadthalle Gütersloh eine diverse Bilanz. Barbara Overbeck moderierte das Panel von WDR3 Forum und Landesmusikrat, das aus Anlass der Mitgliederversammlung des Verbands zusammengekommen war.
In den drei Jahren hat der Verband zwei Studien zur wirtschaftlichen Situation der selbständigen Musikerinnen und Musiker sowie Musikpädagoginnen und -pädagogen durchgeführt. Durchführender war Heiner Barz von der Universität Düsseldorf, die Initiative ging vom Verband der Tonkünstler NRW aus. Als Monitoring zeigten die beiden Studien eine deutliche Verschlechterung der Einkommenssituationen von 2019 zu 2021, wobei die Haltung zum Musikberuf dahinter erstaunlich positiv blieb. Wer für Musik brennt, lässt sich so schnell nicht schrecken, stellte Thomas Kipp (Geschäftsführer der Bochumer Sinfoniker und Präsidium des Landesmusikrats NRW) fest. Die Ergebnisse zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Arbeit der selbständigen Musikerinnen und Musiker passen dabei auffällig zu den Ergebnissen der "Eiszeit"-Studie des Deutschen Musikrats.
Allerdings beginnen sich die mittelfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf das Musikleben erst jetzt wirklich zu zeigen und in Bezug auf die Rückgewinnung des Publikums, auf die Qualifizierung der Musikerszene und auf die durchbrochene Nachwuchsarbeit sind unendlich viele Einzelmaßnahmen notwendig. Viele Kommunen haben das erkannt und arbeiten daran, was Lena Jeckel (Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Gütersloh und Präsidium des Landesmusikrats NRW) schilderte. Und Auftraggeber wie der Westdeutsche Rundfunk tun das ihre, Beschäftigung in die Szene zu bringen, erläuterte Matthias Kremin, Wellenchef von WDR3.
Immer noch haben viele selbständige Musikerinnen und Musiker Probleme im Selbst-Management und Selbst-Marketing, wo Qualifizierung gegenwirken muss. Und vielleicht sind es auch doch einige zu viele. Susanne Schulte, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit, ist nicht durchweg unglücklich, wenn der Eine oder die Andere in der Corona-Krise zu einem anderen Beruf gekommen ist. Aus dem Publikum ergänzte der Gütersloher Kulturdezernent Andreas Kimpel, aus seiner Sicht müssten die Leiterinnen und Leiter von Kulturämtern zu wirtschaftlichen Beraterinnen und Beratern ihrer Kulturszene werden.
Auf der anderen Seite bleibt die Arbeit an den politischen Rahmenbedingungen unabdingbar. Der Komponist Matthias Hornschuh (Präsidium des Landesmusikrats NRW) forderte das Zusammenwirken der Ressorts Kultur, Wirtschaft, Soziales und Finanzen der Bundesregierung, um Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Leben von Musik wieder möglich machen. Dazu zählt die von der Bundesregierung avisierte verbesserte soziale Absicherung der Soloselbständigen und Regelungen zur Verwertungskette geistigen Eigentums, die mehr Geld bei den Musikerinnen und Musikern lassen. Zu den Zielen gehören optimierte urheberrechtliche Regelungen, ein starkes Mandat der Verwertungsgesellschaften, über die mittlerweile zwei Drittel des Einkommens der Komponistinnen und Komponisten erzielt wird, sowie europäische und nationale Maßnahmen gegen das Abschöpfen der Leistungen anderer durch internationale Konzerne.
Welche dieser Lösungsansätze haben Priorität? Es ist wie beim Tunnelbau, stellte Thomas Kipp fest, man sollte von beiden Seiten beginnen, von der Bundespolitik wie von den kleiner dimensionierten Maßnahmen im lokalen Kulturleben aus, und sich in der Mitte des Bergs treffen.
rvz