Gerhart Baum eröffnete als Vorsitzender des Kulturrats NRW die Fachtagung „Wenn kulturelle Bildung gut läuft“ am 29. Oktober in der Alten Feuerwache in Köln mit dem Hinweis, dass es bei der kulturellen Bildung auch um den Gedanken der Freiheit der Kunst gehe. Es müsse eine Sensibilität dafür geschaffen werden, dass Kunst etwas Unbequemes und Unerwartetes, vielleicht sogar etwas im Moment gar nicht Begreifbares sein könne. Es gebe ja mittlerweile Stimmen, die der Ansicht seien, die Donaueschinger Musiktage sollten nur diejenigen bezahlen, die das haben wollten. Die im Koalitionsvertrag formulierte Stärkung von Kunst und Kultur werde in NRW "ganz gut umgesetzt", wobei kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe gedacht sei. Nun gehe es um die Erstellung eines Gesamtkonzepts für kulturelle Bildung, um eine Bestandsaufnahme auch unter der Fragestellung, wie die Bildungsangebote besser zu koordinieren seien.
Dr. Hildegard Kaluza, Abteilungsleiterin im Ministerium für Kultur und Wissenschaft, gab einen Überblick über den Stand der Dinge. Kulturelle Bildung sei seit 2006 ein Schwerpunkt der Landesregierung. Zu den beiden Programmen „Kultur und Schule“ und „Jedem Kind ein Instrument“ bzw. mittlerweile „Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ sei 2012 der „Kulturrucksack“ dazugekommen. Für das Jahr 2018 habe der Etat für kulturelle Bildung 38 Mio. Euro betragen. Auch der Aufwuchs bei der Orchesterförderung oder der Investitionsfonds kämen der kulturellen Bildung zugute. Es gehe darum, dass kulturelle Bildung alle erreiche, die Eltern besser einbezogen würden und die Aspekte Mobilität im ländlichen Raum und Digitalisierung besser umgesetzt würden; außerdem solle der Eigenwert der Kunst in der kulturellen Bildung stärker thematisiert werden. Als Fortschritt sehe sie an, dass neben dem Schul- und dem Familienministerium nun auch das Kulturministerium zu den Trägern der Arbeitsstelle Kulturelle Bildung in Remscheid gehöre; geplant sei, den "Kulturrucksack" dort anzusiedeln. Das Positionspapier zur kulturellen Bildung, das der Deutsche Städtetag im Februar 2019 verabschiedet habe, halte sie für ein Signal, dass kulturelle Bildung in den Kommunen nicht mehr nur als Nice-to-have betrachtet werde.
Auf die Frage von Moderatorin Anke Bruns, ob sie denn wirklich einen Überblick über die verschiedenen Programme und Angebote der kulturellen Bildung habe, verwies Hildegard Kaluza auf die Interministerielle Arbeitsgruppe, in der es einen kontinuierlichen Austausch darüber gebe. In der anschließenden Diskussion ging es um Nachhaltigkeit durch Mehrjährigkeit von Förderung, um die Finanzierung von kultureller Bildung in den Kindertagesstätten und die Frage der Höhe der Honorare für Künstlerinnen und Künstler, die in Schulen gingen. Positiv aufgenommen wurde die Ankündigung des Ministeriums, dass die Honorarsätze für das Landesprogramm „Kultur und Schule“ angehoben werden sollen. Gerhart Baum stellte außerdem die Frage nach einer Art von „Sozialarbeit im Netz“: Welche Rolle könnte die Kultur spielen, um andere Botschaften ins Netz zu stellen?
Es folgten zwei Beispiele kommunaler Gesamtkonzepte kultureller Bildung in Nordrhein-Westfalen. Saskia Frei-Klages stellte das kommunale Gesamtkonzept des Kreises Lippe vor und Volker Buchloh das Konzept der Stadt Oberhausen. Besonderes Interesse fand im Publikum das Mobilitätskonzept in Lippe: 30 Schülerinnen und Schüler sowie vier Begleitpersonen können mit dem Bildungsticket für 39 Euro zu allen Kultureinrichtungen im Kreis fahren. Als kleines Wunder wurde außerdem die Freistellung von einem Lehrer oder einer Lehrerin pro Schule für Koordinationsaufgaben betrachtet. 2018 wurde der Kreis Lippe für sein kommunales Gesamtkonzept vom Land ausgezeichnet. In diesem Jahr wird als neues Projekt eine pädagogische Landkarte mit allen außerschulischen Partnern erstellt. In der anschließenden Fragerunde stellte sich heraus, dass beim Gesamtkonzept weder „Jedem Kind Instrumente, Tanzen Singen“ noch die Vernetzungsinitiative des Schulministerium „Bildungspartner NRW“ im Blickfeld waren. Existieren Initiativen und Programme also doch nebeneinander her, ohne voneinander wissen?
Volker Buchloh ist als Leiter der Städitschen Musikschule Oberhausen und des Kulturbüros der Stadt Oberhausen in einer guten Position, um Vernetzungsarbeit in Sachen kulturelle Bildung zu leisten. Hinzu kommt die gute Vernetzung der Kulturinstitute untereinander und das persönliche Engagement der Beteiligten. Aus der finanziellen Not der Stadt habe man eine Tugend gemacht. Das ebenfalls prämierte kommunale Gesamtkonzept habe sich evolutionär entwickelt, man müsse offen für neue Ideen und den Zufall sein. So gebe es zum Beispiel eine Zertifizierung zur „KulturSchule“ und einen sehr erfolgreichen gegenseitigen Informationsaustausch von Schülern bei „schools@culture“. Die neueste Idee ist die Ausbildung von „KulturScouts“, denn nichts motiviere Kinder und Jugendliche mehr zum Besuch von Kultureinrichtungen, wenn die Anregung von Gleichaltrigen komme.
In den drei Foren am Nachmittag ging es um Fragen der noch besseren Vernetzung der Player auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, um die Nachhaltigkeit kultureller Bildung und um konkrete Hilfestellungen für Institutionen, die sich in den Prozess einbringen wollen. Eine Dokumentation der Fachtagung am 29.10. ist vorgesehen.
Die Veranstaltung wurde gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW.
(Heike Stumpf)
Weitere Informationen:
https://www.kulturrat-nrw.de/
Foto 1: Der Vorsitzende des Kulturrats NRW Gerhart Baum eröffnet die Fachtagung zur kulturellen Bildung am 29.10.2019 in der Alten Feuerwache in Köln; Foto 2: Fachtagung des Kulturrats NRW zur kulturellen Bildung am 29.10.2019 in Köln, in der Mitte der 1. Reihe: Dr. Hildegard Kaluza und Volker Buchloh; Fotos 3 und 4: Workshop und Präsentation der Workshop-Ergebnisse durch Moderatorin Anke Bruns. Fotos: Simone Szymanski