Das Komponieren für Streicher stand im Mittelpunkt des diesjährigen vom Landesmusikrat NRW veranstalteten Kompositionsworkshops für Mädchen und junge Frauen. An zwei Wochenenden hatten zehn Teilnehmerinnen im Alter von 14 bis 21 Jahren die Möglichkeit, unter der Leitung von Elena Mendoza-López und David Graham gemeinsam mit einem professionellen Streichquartett an eigenen Stücken zu arbeiten. An einem Tag war die belgische Komponistin Jacqueline Fontyn zu Gast.
Das Streichquartett ist eine Art Quintessenz der Komposition: äußerst konzentriert, äußerst homogen. Diese zentralen Qualitäten boten den jungen Komponistinnen die Möglichkeit zur konzentrierten Arbeit an Struktur und Klangfarbe und die Chance, handwerkliche Grundlagen zu vertiefen. Zu Anfang des Kurses, der an zwei Wochenenden im November in der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf stattfand, standen Instrumentenkunde und die Analyse neuer Quartett-Stücke im Mittelpunkt, außerdem begannen die Teilnehmerinnen die Arbeit an ihren Stücken. Bei der von den Dozenten vorbereiteten Analyse wurden die jeweiligen Stücke oder Passagen live gespielt und ihre einzelnen Bestandteile untersucht.
György Kurtágs "Signs, Games and Messages" verdeutlichte den Teilnehmerinnen durch die äußerst kurze Form der Stücke den ökonomischen Umgang mit kompositorischen Material bzw. die Arbeit mit reduzierten Elementen. Als extremes Beispiel für die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten bzw. für die Ausnutzung des Klangspektrums eines Instruments diente Helmut Lachenmanns "Pression" für Cello solo. Bei der Analyse von György Ligetis 2. Streichquartett stand die Veranschaulichung der Mikropolyphonie im Vordergrund, Ligetis Herangehensweise, nicht in Linien sondern in Fläche und Volumen zu denken.
Sowohl während des Analyseteils als auch bei der Erarbeitung der Teilnehmer-Kompositionen diente das "Streichquartett in Residence" als "lebendes Lexikon", um die klanglichen Möglichkeiten und Spieltechniken der Streichinstrumente vorführen zu können. So wurde der Klang zur direkten Inspirationsquelle für die kompositorischen Ideen der Teilnehmerinnen, die wiederum gemeinsam mit dem Streichquartett unmittelbar ausprobiert bzw. umgesetzt werden konnten.
Am zweiten Wochenende wurde intensiv an den Werken der Teilnehmerinnen gearbeitet, die sie in der Zwischenzeit weiterentwickelt hatten. Zudem erwartete man prominenten Besuch: die Komponistin Jacqueline Fontyn war Gast des Workshops. Die Belgierin erzählte von ihrem Leben als Komponistin und beantwortete die zahlreichen Fragen der jungen Komponistinnen. Die zentrale Fragestellung war, auf welche Art und Weise sich die Komponistin ihren Werken nähert und was ihr zur Orientierung dient. Zur Veranschaulichung wurde Fontyns Stück "Analecta" für zwei Violinen aufgeführt und über die kompositorische Motivation gesprochen. Am Ende ihres Besuchs betreute Jacqueline Fontyn die Mädchen gemeinsam mit den Dozenten bei der Fertigstellung der Werke.
Bei der Abschlusspräsentation am letzten Workshoptag führte das "Streichquartett in Residence" die Stücke der Teilnehmerinnen vor der begeisterten Zuhörerschaft im Kammermusiksaal der Clara-Schumann-Musikschule auf. Dabei ging es nicht um die Aufführung konzertreifer Stücke, vielmehr hatte diese Veranstaltung noch Werkstattcharakter. Motivierend und wichtig war es für die Teilnehmerinnen, zu diesem festgelegten Zeitpunkt eine Aufführung ihres Werkes zu erleben, eine Präsentation des Status quo. Hinzu kam die Besonderheit einer vorangegangenen Generalprobe des eigenen Werkes: Zu lernen, wie man in dieser Probensituation konstruktiv arbeitet, in welcher Komponisten und Komponistinnen ein äußerstes Maß an Disziplin und präziser Kommunikation in der Kürze der Zeit abverlangt wird.
Den jungen Komponistinnen wurde durch den Workshop eine effiziente Hilfe für den Aufbau ihrer Werke und für die Entwicklung ihrer musikalischen Ideen gegeben, wobei die Anwesenheit des Streichquartetts von zentraler Bedeutung war. Durch die sofortige praktische Umsetzung lernten die Teilnehmerinnen - vor allem jene, die kein Streichinstrument beherrschen - bei ihrer Arbeit das Instrument in den Mittelpunkt zu stellen, eine Klangvorstellung zu entwickeln und ihre Ideen vom Instrument ausgehend aufzubauen.
Gefördert wird der Workshop vom Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes NRW. Der Workshop für Mädchen und junge Frauen findet seit 1999 jährlich statt, eine Fortsetzung auch im nächsten Jahr ist vorgesehen. Teilnahmeberechtigt sind Mädchen bzw. junge Frauen, die Schulen und Musikschulen in Nordrhein-Westfalen besuchen, zwischen 14 und 21 Jahren alt sind und Interesse am Komponieren bzw. am kreativen Umgang mit Musik haben.
(Text und Fotos: Hedwig Otten)