Das Programm „Brückenklang“ des Landesmusikrats schlägt Brücken zwischen der traditionellen Laienmusik in NRW und den Einwanderungskulturen. Eine solche Brücke entstand auch am 30. April im Bennohaus Münster durch eine Begegnungsveranstaltung des Programms. Interkulturelle Netzwerkarbeit und Organisationsstrukturen der Musikszenen standen als Motto über dem Tag, der drei Vorträge, vier musikalische Präsentationen und ein World-Café bot.
Das erste Netzwerk entstand mit dem Eintreten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Bennohaus. Mit der Anmeldung erhielten sie zwei Sticker, deren Farbe ihre Musizierform kennzeichnete, von denen sie einen auf ihr Namensschild und einen auf eine Landkarte des Münsterlandes klebten. So entstand binnen kurzem auf der Karte ein Koordinatensystem, dem man auf den Namensschildern folgen konnte.
Der Schlagzeuger und Projektinitiator Uwe Hasenkox stellte als erste musikalische Präsentation den Sänger Mohamet Cigani mit einem albanischen Lied vor. Cigani ist 2015 aus dem Kosovo nach NRW geflüchtet, und er lernte in einem Münsteraner Heim Hasenkox kennen. Hasenkox betreibt die AfroSession Münster, ein Musikprojekt, in dem münsterländische Musiker mit Migranten zusammen musizieren. Im Zuge der Projektarbeit sucht Hasenkox die Zusammenarbeit mit Flüchtlingsheimen und so traf er den Sänger, der als Autodidakt erlernte, wie man seine Keyboardbegleitung selbst programmiert.
Dr. Ahmet Ünalan von der Universität Duisburg-Essen führte im ersten Impulsvortrag des Tages in die Organisationsstrukturen der türkischen Laienmusikszene in NRW ein. Er schilderte, wie die türkische Musikkultur von alters her durch die Dichotomie zwischen Kunstmusik und Volksmusik gekennzeichnet ist. Gerade ausgewanderte Türken bewahren die Tradition der Volksmusik oft besonders authentisch. Dieser gewisse Konservatismus hat eine wertvolle bewahrende Funktion für die Kultur, erleichtert aber nicht unbedingt das Schlagen von Brücken zu anderen Kulturen. Unter den Einwanderungsszenen in NRW ist die türkische wohl die bestorganisierteste, und die Strukturen bieten viele Anknüpfungspunkte für kulturelle Kooperationen.
Die „Gegenseite“, die traditionelle Laienmusik im Rheinland, in Westfalen und in Lippe kann dies nicht minder bieten. Die Organisationsstrukturen dieser Szenen erläuterte Eva Luise Roth, Projektleiterin für die Laienmusik im Landesmusikrat NRW. Unter den etwa 5.000 Laienmusikvereinigungen Nordrhein-Westfalens ist die überwiegende Zahl von Vereinen in Verbänden organisiert. Zum Teil sind diese so groß, dass sie eine Zwischenebene in Form von Kreisverbänden geschaffen haben. Ein Hauptantrieb der Zusammenschlüsse ist die Intensivierung und Förderung der Nachwuchsarbeit und der Qualifizierung der Musikerinnen und Musiker. Die Kommunikationsstrukturen erleichtern Brückenschläge erheblich, das Programm „Brückenklang“ soll überdies für Motivation und Unterstützung sorgen.
Die Diskussion der Vorträge offenbarte, dass der Begriff Laienmusik sehr verschieden aufgefasst wird. Viele Formen der Einwanderungskulturen entziehen sich dieser Terminologie. Gleichwohl brauchen auch sie Förderung, und allemal haben sie Werte zu bieten, die über Brücken für alle Seiten fruchtbar sein können. Der Tag verlangte wieder nach klingender Darbietung dessen, worum es geht.
Der Münsteraner Jazzpianist Lars Börge Eduardt zieht zusammen mit Illmara Miranda Mueller mit dem Münsterländischen Musikmobil zu Schulen und zu Stadtteilfesten und entdeckt dort mit Kindern Klänge, in dem die beiden mit den Kindern Instrumente aus Alltagsgegenständen bauen. Sein Präsentationsstand im Foyer des Bennohauses glich einem Baumarkt. Das Duo trommelte mit den Besuchern auf Eimern und anderen Resonanzkörpern und geriet in südamerikanischen Swing. Als zweite Duopartnerin wählte sich Eduardt die brasilianische Sängerin Thais Ribeiro und trieb die Besucher in Refrains des Bossa Nova „Samba do aviao" – der Zeitknappheit geschuldet mit eher wackeligem Ergebnis.
Zur „Interkulturellen Netzwerkarbeit" rief die Bochumer Interkultur-Trainerin Nuray Ateş. Ihren Vortrag begann sie mit einem Spiel, bei dem zwei Vierergruppen in einen Wettstreit um leere Stühle treten mussten. Die rasche Eskalation des Spiels zeigte, wie begrenzt das kooperative Miteinander wird, wenn die Ressourcen zu Neige gehen. Aus dem Geschehen leitete Nuray Ateş exemplarisch zentrale Verhaltungsmuster und Notwendigkeiten in der interkulturellen Zusammenarbeit ab.
Antje Valentin, Direktorin der Landesmusikakademie, moderierte ein World-Café, bei dem sich die Teilnehmer in Tischrunden den Fragen widmeten, was sie in ihrem Ensemble an einer stärker betonten interkulturellen Arbeit hindert und was sie an Verbesserungen brauchen. Die Tischgespräche ergaben viele Probleme, die Genre und Kulturen übergreifend zu beobachten sind, materielle Sorgen, Generationen-Missverständnisse und einen Mangel an Aufführungsorten. Die Auswertung wird noch erfolgen und in die weitere Arbeit von "Brückenklang" eingehen.
Der Chor der jüdischen Gemeinde Münster besteht aus elf Damen und einem Herrn osteuropäischer Herkunft. Chorleiterin Alla Mesionzhnik ist hauptberufliche Korrepetitorin und auch Leiterin des Chors der jüdischen Gemeinde in Dortmund. Mit großer Ruhe und Inbrunst intonierte das Ensemble fünf Psalmen, teils in hebräischer, teils in russischer Sprache. Es war ein anrührender musikalischer Schluss der Begegnungsveranstaltung, die so furios mit Mohamed Tciganis rapverwandten Anrufungen begonnen hatte.
Robert v. Zahn moderierte den Tag. Anne Tüshaus, Referentin des Programms "Brückenklang", und Linn Meisner sorgten für die Organisation, und Anne Tüshaus bot zum Schluss auch einen Ausblick auf die kommenden Veranstaltungen von „Brückenklang“. Am 21. Mai geht es in Essen vor allem um Zielgruppenansprache im interkulturellen Laienmusikbereich.
Das Programm „Brückenklang“ wird vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW gefördert.
rvz
Foto: Illmara Miranda Mueller und Lars Boerge Eduard aus Münster, Ahmed Ünalan von der Universität Duisburg-Essen, der Anmeldestand mit Anne Tüshaus und Linn Meisner, sowie Mohamet Cigani am 30. April im Bennohaus Münster; Fotos: LMR NRW.