Das JugendJazzOrchester NRW ist von seiner 39. Auslandsreise zurückgekehrt. Sie führte vom 4.-19. August 2016 unter dem Projektnamen „Jazz en el Sur“ („Jazz im Süden“) nach Argentinien und Paraguay. Nach etwa einjähriger Vorbereitungszeit konnte die Tour mit Partnern in Buenos Aires, Mendoza, Cordoba und Asunción, der Hauptstadt Paraguays, realisiert werden.
Zuvor wurden Möglichkeiten eruiert, weitere Länder in die Tournee einzubeziehen. Anfragen gingen u.a. an das Goethe-Institut in Mexiko, das dort das „Deutsche Jahr“ ausrichtete, an den Landessportbund NRW mit dem Angebot, im kulturellen Rahmenprogramm der Olympischen Spiele in Rio aufzutreten, an das Unternehmen Thyssen-Krupp, das in Brasilien eine Stahlwerk betreibt. Hier bestand eine Einladung, für die Belegschaft ein Konzert zu spielen; leider wurde der Termin kurzfristig abgesagt.
Argentinien stand schon lange auf der Wunschliste des Orchesters, dem Heimatland eines seiner künstlerischen Leiter. Mit Unterstützung der Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, des Deutschen Honorarkonsuls in Mendoza sowie der Goethe-Institute in Córdoba und Asunción konnte die Reise nun durchgeführt werden.
Das erste Konzert findet statt im „Centro Cultural Kirchner“ (CCK) in Buenos Aires, dem größten Kulturzentrum Südamerikas. Unter einer blau illuminierten Glaskuppel mit Blick auf die abendliche Hauptstadt spielt die Band vor ausverkauftem Haus, standing Ovations zum Schluss.
Mit überschwänglicher Gastfreundschaft wird das Orchester von Gasteltern der Pestalozzischule aufgenommen und betreut. Ein Rundgang durch das Zentrum von Buenos Aires am folgenden Tag macht deutlich, wie groß der europäische Einfluss auf diese Stadt einst war, die 13 Millionen Einwohner zählt, davon 10 Millionen in den Außenbezirken. Unübersehbar die im französischen und italienischen Baustil der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gehaltenen Fassaden. Sie zeugen von einer Zeit, in der Argentinien zu den reichsten Ländern der Welt zählte. Durch Korruption und Misswirtschaft begünstigt, musste Argentinien 2014 den Staatsbankrott anmelden.
Am Anfang stand ein Anruf beim Deutschen Honorarkonsul in Mendoza. Spontan erklärte er sich bereit, mit der dortigen Regionalverwaltung zu verhandeln und ein Konzert im „Teatro Independencia“ zu organisieren. Als Geschäftsführer eines bedeutenden Weingutes verfügt er zudem über beste Kontakte zu örtlichen Sponsoren, die den Besuch des Orchesters in Mendoza, Argentiniens bedeutendster Weinbaugegend am Fuße der Anden gelegen, unterstützten.
Hier steht zunächst ein Workshop an der „Universidad National Cuyo“ auf dem Programm. Das JJO NRW gibt ein Konzert, anschließend wird eine gemischte Combo mit Musikstudenten des Instituts zusammengestellt. Die meisten Teilnehmer sprechen kein Englisch; der Blues mit wechselseitigen Solos dient als gemeinsame Sprache. Höhepunkt des Aufenthalts in Mendoza ist das Konzert im „Teatro Independencia“. Hier gelangt die Suite „Guarani“, eine Auftragskomposition des JJO NRW an seinen Leiter Gabriel Perez, die sich den Ureinwohneren Argentiniens und Paraguays widmet, zur Aufführung. Auch hier applaudiert das Publikum stehend und verlangt nach Zugaben.
Der 2. Inlandflug führt nach Córdoba, der zweitgrößten Stadt Argentiniens und Sitz der bedeutendsten Universität des Landes, der 1613 gegründeten „Universidad Nacional“. Viele Bauten aus der Kolonialzeit prägen das Stadtbild, das allerdings wie viele Städte Südamerikas nicht zuletzt bedingt durch Korruption unter gravierenden Bausünden zu leiden hat. Das Goethe-Institut organisiert ein Konzert in der Deutschen Schule. In der vollbesetzten Turnhalle wird das Orchester stürmisch gefeiert. Ein weiteres Konzert wird in der „Universidad Nacional de Villa Maria“ organisiert, 200 km südöstlich von Córdoba gelegen.
Die Band fiebert dem Hauptevent der 3. Station seiner Reise entgegen: einem gemeinsamen Konzert mit dem „Córdoba Jazz Orchester“ in der „Aula Magna, Facultad de Ciencias Exactas, Físicas y Naturales“. Gabriel Perez, nun in seine Heimatstadt mit einem Auswahlorchester aus NRW zurückgekehrt, ist aufgeregt. Viele seiner Freunde, ehemalige Mitstreiter und Verwandte lassen es sich nicht nehmen, ihn und das Orchester in der ehrwürdigen Aula zu feiern; es wird ein furioser Abend.
Der Direktflug von Córdoba nach Asunción ist nicht möglich. Es geht zunächst zurück nach Buenos Aires, von dort dann in die Paraguayische Hauptstadt. Hier herrscht, wie auch in der Argentinischen Hauptstadt, Winter, allerdings mit Temperaturen bis 30 Grad.
Das Orchester wird von der Leiterin des „Instituto Cultural Paraguayo-Alemán Asunción“ in Empfang genommen. Die Unterbringung erfolgt in der Nähe des Flughafens in einem Trainingscamp zur Vorbereitung auf Olympische Spiele; das steht leer, da die Olympioniken des Landes sich zeitgleich in Rio aufhalten. Es ist der 15. August, der Tag, an dem die Stadt ihren 479. Geburtstag feiert. Das Zusammenfallen dieses Jubiläums mit dem 70. Geburtstag NRWs ist ein willkommener Anlass, das Orchester einzuladen. Sein Besuch sei wohl „eines der wichtigsten Programmpunkte der kulturellen Veranstaltungen zu Ehren Asuncións und ein herausragender Beitrag der Deutschen Seite“, so die Kulturabteilung der Stadt und das Goethe-Institut in ihrem gemeinsamen Einladungsschreiben.
Das erste Konzert findet open air mitten im Stadtzentrum statt. Zunächst war nur der Auftritt einer Combo geplant. Da aber das örtliche Polizeiorchester zuvor spielt, kann das JJO NRW in voller Besetzung einfach deren Pulte übernehmen und legt anschließend einen fulminanten Auftritt hin. Am nächsten Tag lädt der stellvertretende Deutsche Botschafter in seine Residenz. Auch Vertreter der Kulturverwaltung befinden sich unter den Gästen. Man versichert sich gegenseitig, wie wichtig der Besuch des Orchesters sei und hofft, dass sich die kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Paraguay weiter vertiefen. Zum Dinner werden saftige Rindersteaks serviert.
Der letzte Auftritt der Reise findet im Theater Asunción statt. Studenten der Musikhochschule konnten für ein gemeinsames Konzert gewonnen werden. Ihnen wurden zuvor Noten und Hörbeispiele übersandt. Gabriel Perez präsentiert seine Suite „Guarani“, dieses Mal in voller Besetzung, mit Big Band und Streichorchester, unter den Gästen auch der Deutsche Botschafter.
Ein Landesjugendjazzorchester aus Deutschland führt gemeinsam mit Studenten aus Paraguay ein Werk im Gedenken an die Ureinwohner des Gastlandes auf, ein bedeutender wie emotionaler Moment, das spüren alle im Saal. Unter www.youtube.com/watch kann man einen kurzen Ausschnitt dieses Konzerts ansehen.
Mit dem 5. Inlandsflug geht es zurück nach Buenos Aires; dort legt die Band noch eine Transferübernachtung ein, bevor sie am nächsten Tag ihre Rückreise antritt, 14 Stunden non-stop.
Die Tournee wurde ermöglicht durch die Förderung des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW sowie durch die Unterstützung des Goetheinstituts.
Für die Vorbereitung und Durchführung der Reise sei folgenden Personen ausdrücklich gedankt:
Liliana Löwenstein und Harald Herrmann (Kulturabtlg. Deutsche Botschaft Buenos Aires)
Andreas Vollmer (Honorarkonsul in Mendoza)
Almut Schmidt (Leiterin Goethe Institut Cordoba)
Simone Herdrich (Leiterin „Instituto Cultural Paraguayo-Alemán Asunción“)
Stephan Schulze, 2. künstl. Leiter des Orchesters während der Tour, nicht zuletzt für seine Moderationen in spanischer Sprache
(Thomas Haberkamp)
Fotonachweis: open air Asuncion, Gabriel Perez (Foto: medinafoto); open air Asunción (Foto: medinafoto); Workshop Universität Mendoza (Foto: A. Theobald.