Standing Ovations erhielten das Jugenzupforchester NRW und sein Dirigent Peter Vierneisel im Acoestikum Ede (NL). Das Landesjugendensemble, das über Jahre von Christian de Witt geprägt wurde, trat zum ersten Mal mit Vierneisel auf. Eine Woche gemeinsame Arbeit ging voraus, in der sich Ensemble, Dozententeam, Leiter und Organisatorin zusammen rauften. Organisatorin ist nun Kristina Lisner, Konzertmeister Karl Büter, Dienstälteste im Dozententeam und damit Anker der Gruppe Annika Hinsche.
Und ein Solist war dabei, der aus dem Besetzungsrahmen fiel: Lukas Katter spielte Johann Sebastian Bachs Konzert Nr.5 BWV 1056 als Werk für Klavier und Zupforchester BWV 1056. Katter spielte einen Konzertflügel von Steingräber und Söhne wie ein historisches Instrument, er tupfte die Läufe so, dass sie sich mit den Mandolinen und Gitarren bestens verbanden. Der heikle zweite Satz fordert präzises Zusammenspiel bei den zarten Begleitakkorden, Vierneisel hielt die 24 Musikerinnen und Musiker mit sicherem Schlag zusammen.
Daniel Huscherts "Rituel" ist ein feuriger Tanz, den die Zupfer mit langen Steigerungsbögen gestalteten, die jäh zusammenbrechen und einem Stilleben weichen. Eine Parforce rundet das Ritual ab. Besonderer Applaus galt einem bravourösen Solo des Konzertmeisters Karl Büter. Wie auch im nächsten Stück: Ein Piazzolla-Arrangement von Dieter Kreidler führte in die Welt des Tango Nuevo. Die Gitarre steht dieser jedenfalls näher als einem Konzert Bachs, und die Interpretation des Zupforchesters klang authentisch bis in die typische Tangorhythmik hinein.
Hiromitsu Kagajo hat einen erstaunlichen "BlackOut" komponiert, der gerade in der hinreißenden Interpretation des Jugendzupforchesters das Rätsel aufgibt, wie dieses bewegte, tänzerische, dann wieder lyrische und immer überaus motorische Stück eigentlich zu seinem düsteren Titel kommt. Ansprechende Soli erklangen aus dem Orchester heraus und dabei war es das Werk, in dem das Ensemble und sein Dirigent am meisten zur Einheit verschmolzen.
Als Zugabe gab es das Tagelied aus der Okinawa-Suite von Miwa Naito, eine berührende folkloristische Weise, in lange Tremoli gewandet und in geisterhafte Glockenschläge aus dem Backstage mündend. Das holländische Publikum zeigte sich begeistert, und Harold Lensenink, Direktor des Akoesticums, gab dem Orchester ein "Das Publikum des Akoesticums liebt Euch sehr, kommt wieder" mit auf den Weg.
Geprobt hat das Ensemble in der Arbeitsphase auch eine Auftragskomposition für Baglama-Ensemble und Zupforchester, die Koray Berat Sari (*1990) für den Landesmusikrat schrieb. Sari erläuterte das Miteinander der Instrumentengruppe, das sich von Satz zu Satz zur Homogenität hin entwickelt. Doch seine Uraufführung erlebt das kulturenverbindende Werk erst im November im Festival NOW auf Zeche Zollverein in Essen.
Während der Arbeitsphase der Zupfer probten auch Maaike van der Linde, Geerte de Koedie, Flötistinnen der Nederlands Fluit Academie und 15 Flüchtlinge aus holländischen Asylunterkünften im Acoestikum. Die Zupfmusiker besuchten die Ergebnispräsentation des Projekts, in dem Gesänge aus afrikanischen Kulturen, Perkussion und westliches Flötenensemble zusammenfanden.
Auch der Vorstand des Bundes Deutscher Zupfmusiker NRW fuhr nach Ede und hörte sich eine Probe unter dem neuen Dirigenten an. Die Neugier ist groß. Und lohnt sich.
rvz
Fotos: Das Jugendzupforchester NRW am 19. August 2017 im Acoestikum Ede; Solist Lukas Katter, Konzertmeister Karl Büter; Fotos: LMR NRW.