Wie lassen sich Fragen nach der Eigenständigkeit der Künste mit dem System Schule zusammenbringen, fragte Tom Braun, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) zu Beginn des Fachtags „Den Künsten Räume geben“ in der Akademie Remscheid. An die hundert Fachleute waren zusammengekommen, um zu sichten, wie kulturelle Bildung dauerhaft an Schulen verankert werden kann. Brauchen wir mehr Freiräume für pädagogische Aspekte in der Schule oder mehr Freiraum für Künste, fragte Braun weiter, und stellte fest, dass Schule zu einem zeitlich stark ausgedehnten Lebens- und Arbeitsort geworden ist. Die Pädagogisierung des kindlichen Lebens werde mancherorts stark kritisiert.
Im Mittelpunkt der Tagung stand das Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ der Forum K&B GmbH, finanziert von der Kulturstiftung des Bundes und der Stiftung Mercator in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Thüringen und NRW in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien, der BKJ und der conecco UG der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Gleich nach den Begrüßungen durch Hausherrin Susanne Keuchel und durch Tom Braun stellte der Fachtag das Kulturagenten-Programm mit einem Werbefilm vor. Die programmleitende Geschäftsführerin des Forums K&B Sybille Linke erläuterte ein Hedda-Gabler-Projekt, auf das sich der Film bezog, und lobte die dort zu beobachtende „vitalisierende Energie von künstlerischer Arbeit“.
Deutschlandweit arbeiten Kulturagenten jetzt an 138 Schulen. Kulturbeauftragte Lehrer erhalten Freistellungsstunden und erstellen mit Steuerungsgruppen Kulturkonzepte für die Schulen, innerhalb derer Projekte wie das Barfußmalen entstehen. Kooperationen wie die der Kulturagenten werden für die aktuellen Bildungslandschaften prägender. Susanne Keuchel untersuchte in ihrem Vortrag „Herausforderungen formaler und non-formaler Kooperationen“ anhand empirischer Studien, für die sie zum guten Teil selbst verantwortlich zeichnet. Seit 2004 hat sich die Zahl von Kooperationen schulischer und außerschulischer Partner beträchtlich erhöht. Ein Motiv dabei war die Ungleichheit der kulturellen Teilhabe von Schülerinnen und Schülern an Hauptschulen verglichen mit solchen anderer Schultypen. Am meisten klaffte hier der Besuch von Musikschulen auseinander, so Keuchel, was ein wesentlicher Impuls für Musikschulen war, durch Kooperationen Chancengleichheit in der musikalischen Bildung anzustreben und neue Schülergruppen zu gewinnen.
Auch suchte der schulische Ganztag Dozenten und andere Akteure im Nachmittagsbereich und füllte das Vakuum mit Kooperationen. Ergänzend führte der Diskurs über Transfereffekte zwischen kultureller Bildung und kognitivem Lernen zu non-formalen Kooperationen zur Persönlichkeitsentwicklung von Schülern. Aber auch Ängste von öffentlichen Kultureinrichtungen vor dem Schwund ihres künftigen Publikums sorgten für einen verstärkten Einsatz in Kulturvermittlungsprojekten. Das Wichtigste für alle diese Verbindungen ist es, so Susanne Keuchel, dass beide Partner vor der Kooperation einen Qualitätsrahmen festlegen und sich über Qualitätskriterien verständigen.
Wichtig ist auch die systematische Einbindung von außerschulischen kulturellen Bildungsakteuren in die schulische Welt, wie es etwa bei „Jedem Kind ein Instrument“ im Idealfall geschah, so Keuchel, während die Einbindung bei manchen anderen Kooperationen oft sporadisch, jedenfalls unsystematisch erfolgt. Realismus tut not. Eindringlich wies Keuchel auf ein Ergebnis ihres „2.Jugendkulturbarometers“ von 2011 hin: Kulturbesuche mit der Schule sind kein Garant für gesteigertes Kulturinteresse. Nicht nur eine, sondern viele Rahmenbedingungen wirken auf die Teilhabebereitschaft ein.
Peter Fauser (Imaginata Jena und Mitglied im Beirat des Programms Kulturagenten) bot in seinem Vortrag den Fachtagbesuchern Selbstversuche, die zeigten, dass Lernen Erfinden heißt. Fauser stellt das „Verstehen zweiter Ordnung“ in den Mittelpunkt der kulturellen Bildung. Ein Pädagoge muss nicht nur die zu vermittelnden Sachverhalte verstehen, sondern auch verstehen, wie Kinder sie verstehen.
Die Vielfalt der Kooperationen, zumal denen, die durch Kulturagenten angeregt wurden, ist groß. So diskutierten sechs Themen-Tische Praxisbeispiele zur Kooperation von Schulen mit Kulturpartnern aus NRW und zur kulturellen Schulentwicklung. Und wie nachhaltig sind die Wirkungen? Das Programm der Kulturagenten steuert auf das Ende seiner fünfjährigen Laufzeit zu. Werden sich die Financiers weiter engagieren? Das Programm sah eine illustre Runde vor, die Antworten auf diese Fragen hätte geben können. Doch Schulministerin Sylvia Löhrmann ließ sich ebenso entschuldigen wie Alexander Farenholtz vom Vorstand der Kulturstiftung des Bundes und Winfried Kneip von der Geschäftsleitung der Stiftung Mercator. Ministerin Löhrmann entsandte ihren Staatssekretär Ludwig Hecke, Alexander Fahrenholtz seine Mitarbeiterin Teresa Darian und anstelle von Winfried Kneip bereicherte Sybille Linke die Runde, die für das von beiden Stiftung finanzierte Forum K&B sprach. Hinzu kam der amtierende Vorsitzende der BKJ Gerd Taube und als Moderator deren Ehrenvorsitzender Max Fuchs.
Max Fuchs fragte Hecke, wie seine Meinung vom Programm Kulturagenten sei, in das sein Haus ja auch eingebunden sein. Hecke bezeichnete es als ein sehr sinnvolles Programm, doch es sei nicht das einzige. Die Frage stehe an, wie man die dort gewonnenen Erfahrungen übertragen könne und dabei stelle sich schnell auch die Ressourcenfrage, denn es gebe in NRW halt sehr viel mehr Schulen. Er sei an der Fortführung des Programms interessiert, doch wenn die Partner sich zurückzögen, würde das Land NRW deren Anteile nicht übernehmen.
So befragte Fuchs nun Teresa Darian nach der Nachhaltigkeit der Kulturagenten. Darian stellte fest, dass das Programm bereits eine Marke in den Bildungslandschaften geworden sei, und sah darin auch ein Stück Nachhaltigkeit. Die Bundeskulturstiftung müsse die Finanzierung beenden, denn die zeitliche Begrenzung all ihrer Projekte stünde in ihrem Auftrag festgeschrieben. Die Stiftung stehe aber mit allen betroffenen fünf Bundesländern in Verhandlungen. Letztlich sei die Integration der verschiedenen Kulturagentenmodelle eben eine länderspezifische Aufgabe.
Um so mehr stellt sich da die Aufgabe, folgerte Fuchs, den Erfahrungstransfer von den 138 Schulen mit Kulturagenten auf die 36.000 Schulen insgesamt zu organisieren. Sybille Linke bezeichnete es als Aufgabe der Geschäftsstelle, das Wissen zu dokumentieren und übertragbar bereitzustellen. Veranstaltungen werden organisiert, bei denen interessierte Akteure aus dem ganzen Bundesgebiet zusammenkommen und sich austauschen sollen.
Kann so die Kulturelle Bildung initiiert und nachhaltig in der Schulstruktur verankert werden? Ludwig Hecke zeigte sich jedenfalls überzeugt, dass das Land die Herausforderung der kulturellen Bildung ohne außerschulische Partner nicht bewältigen könne. Die Ansprüche seien gestiegen. Die Ganztagsschule müsse mehr gewährleisten als die klassische Schule, und dazu seien auch andere Lernorte sinnvoll. Der Grundgedanke der Kulturagenten sei da sehr richtig, doch liege noch lange Wegstrecke vor ihnen.
Einen anregenden Einblick in ein Kulturagentenprojekt bot ein Film von Nicola Goerdes, Silke Schönfeld und Rebecca Wassermann: "Barfußtanzen mit Farbe" ließ die Atmosphäre einer rhythmisierten Fußmalerei von Schülerinnen und Schülern aufscheinen - eine Kollektivartikulation in einer Kooperation der Erich-Kästner-Gesamtschule Essen und des Kunstmuseums Bochum.
Der Fachtag wurde von dem bei der BKJ angesiedelten Landesbüro „Kulturagenten für kreative Schulen“ in NRW, von der MIXED UP Akademie, der Arbeitsstelle „Kulturelle Bildung in Schule und Jugendarbeit NRW“ sowie der Akademie Remscheid veranstaltet. Es moderierte Laura Mattick, BKJ.
(Robert v. Zahn)
Fotos: Max Fuchs, Terese Davian, Ludwig Hecke, Sybille Linke und Gerd Taube am 12. Dezember 2014 in der Akademie Remscheid; Foto: LMR NRW. Ludwig Hecke und Susanne Keuchel im Publikum; Foto: Wolf Sondermann. Diskussionen an den Auslagetischen der Tagung, Akademie Remscheid am 12. Dezember 2014; Foto: LMR NRW.