Zum „Tag gegen TTIP“, dem 21. Mai 2015: Das Freihandelsabkommen TTIP soll den Handel von Produkten und Dienstleistungen zwischen den USA und der Europäischen Union vereinfachen und intensivieren: Hürden des Handels sollen durch TTIP verschwinden. Dagegen ist grundsätzlich nicht viel einzuwenden, solange es sich um eine Vereinfachung des Handels mit herkömmlichen gegenständlichen Waren und gewerblichen Dienstleistungen handelt. Doch Teil des TTIP-Mandats der EU-Kommission ist ein weitreichendes Investorenschutzabkommen, welches auf beiden Seiten des Atlantiks zu einer inakzeptablen Einschränkung souveräner Entscheidungsrechte in Bereichen führen könnte, die weder Waren noch Dienstleistungen im engeren Sinn umfassen.
Dazu gehört der gesamte Bereich Kultur und Medien, aber auch das Arbeits- und Tarifrecht. US-Unternehmen, die in Deutschland handeln wollen, könnten dann die öffentliche Kulturförderung oder ein starkes kontinentaleuropäisches Urheber- (Droit d'Auteur) oder Datenschutzrecht als eine solche Hürde ansehen und auf Basis von TTIP gegen sie klagen. Auch die Buchpreisbindung und die öffentliche Finanzierung des Rundfunks könnten als Hürden vor Schiedsgerichte gezerrt werden und Schadenersatzklagen hervorrufen.
Die öffentlich finanzierte Kultur ist aber in Deutschland eine existenzielle Grundlage der Gesellschaft und eine Voraussetzung für die Bürgerinnen und Bürger, auch in Zukunft in kultureller Vielfalt zu leben und sich in kultureller Vielfalt artikulieren zu können. Musikschulen, kommunale Orchester und Bühnen, öffentlich geförderte Kulturprojekte von Vereinen und Initiativen und viele weitere Errungenschaften des Kulturlebens bilden den Humus der Gesellschaft und dürfen nicht als hinderliche Eingriffe in einen Freihandelsmarkt angesehen werden.
Der Landesmusikrat NRW fordert deshalb, dass die Verhandlungsführer der Europäischen Union mittels einer Positivliste eindeutig abgrenzen, für welche Bereiche TTIP gelten soll, und dass die öffentlich finanzierte Kultur ebenso wenig auf dieser Positivliste steht wie die Buchpreisbindung, das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und das Urheberrecht.
Damit die Verhandlungen auf Basis einer solchen Positivliste differenziert und transparent zu Ende geführt werden können, fordert der Landesmusikrat NRW, dass das von der Bundesregierung verkündete Zeitfenster des Verhandlungsabschlusses bis Ende 2015 fallengelassen wird. Es steht zuviel auf dem Spiel, um durch Zeitdruck Kurzschlüsse zu provozieren.
Für das Präsidium des Landesmusikrats NRW und insbesondere für seine Arbeitsgemeinschaft der Verbände für Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft
Prof. Dr. Werner Lohmann, Präsident des Landesmusikrats NRW
André Sebald, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Verbände für Musik in Beruf, Medien und Wirtschaft