Am 21. Mai fanden sich an die fünfzig Musikerinnen und Musiker, Organisatoren und Multiplikatoren zu einem Begegnungsforum für interkulturelle Laienmusik in der Zeche Carl Essen zusammen. Die Veranstaltung im Rahmen des Landesprogramms „Brückenklang“, initiiert durch den Landesmusikrat NRW, stellte das Thema der interkulturellen Kommunikation und Zielgruppenansprache in den Fokus des Austausches. Neben vielfältigen Projektvorstellungen, Impulsreferaten, einem World Café und Musikbeiträgen, bot der Veranstaltungsrahmen Raum zum Kennenlernen und Erfahrungsaustausch.
Projektpräsentationen
Kornelia Vossebein präsentierte die interkulturelle Arbeit der Zeche Carl und betonte das Selbstverständnis der Einrichtung, nicht nur im Nebeneinander der Kulturen, sondern vielmehr im Miteinander neue Projekte zu gestalten. Im Rahmen des Bühnenprogramms, der Arbeit für und mit dem Stadtteil und unterschiedlicher Projekte versuche die Institution den interkulturellen Austausch zu fördern. Das alljährlich veranstaltete Internationale Kulturfest am 1. Mai sei ein Beispiel für die aktive Einbindung von Migrantenverbänden und- vereinen, mit einem vielfältigen musikalischen Bühnenprogramm und kulinarischen Angeboten der Kulturen. Projekte wie „INKLU:CITY“ oder „Orkestra Crosscultura“ begleiten die kontinuierliche Arbeit der Begegnung unterschiedlicher Sparten und Kulturen, so Vossebein.
„Arche Noah“, die künstlerische Bühne zur bundesweiten interkulturellen Woche, präsentierte sich im Rahmen des Forums schon vor ihrem nächsten großen Einsatz auf dem Kennedyplatz in Essen am 24. und 25. September 2016 durch Initiator Willi Overbeck. Das Gemeinschaftsprojekt des Initiativkreises der Religionen in Essen und der Stadt Essen wird begleitet durch das Projektbüro part3 - Partizipation in Kunst und Kultur. Die „Arche Noah“ stehe als Symbol für gesellschaftliches und soziales Miteinander und biete Essener Künstlern, Bands, Vereinen, Initiativen und Engagierten unter dem Motto „Was uns trennt und was uns eint“ eine Bühne der Interaktion und Partizipation, so Overbeck. Das ständige Angebot der „Arche Dialoge“ biete den Bürgerinnen und Bürgern in den Essener Stadtteilen ergänzend die Möglichkeit, sich über die Zukunft des Stadtlebens auszutauschen. Die Essener Künstlerin Monika Sophie Kwiek bot begleitend zum Forum die Möglichkeit, Planken für die „Arche Noah“-Bühne zu gestalten.
„Nefes“ bedeutet so viel wie Atem oder Hauch, so auch die Bezeichnung des Chores und Ensembles der Universität Duisburg-Essen unter der Leitung von Enver Yalçin Özdiker. Die Formation gründete sich 2009 aus einer Initiative von Studenten der Universität, mit dem Ziel, sich mit türkischer Musik zu befassen, so Geschäftsführer Magnus Frank. Özdiker selbst arrangiert dazu mehrstimmige Bearbeitungen traditioneller türkischer Volksweisen und Gesänge für den Chor mit begleitendem Instrumentalensemble. Dieses setze sich aus einer gemischten Besetzung von orientalischen und westlichen Instrumenten wie u.a. Kanun, Bağlama, Oud, Violine, Cello und Drum-Set zusammen. „Nefes“ strebe für die Zukunft den Austausch mit weiteren Chören und Orchestern an, so die Leiter der Formation.
Markus Stollenwerk präsentierte gleich zwei seiner Projekte, das von ihm geleitete „Orkestra Crosscultura“ und das Festival „Improvisionen“, welches auch in diesem Jahr wieder parallel zum Festival „Essen.Original.“ ein alternatives Bühnenprogramm der musikalischen und spartenübergreifenden Interkultur auf dem Kopstadtplatz bieten soll. Stollenwerk betonte dabei, dass für ihn der Austausch der Musikstile und Genres im Mittelpunkt seiner Arbeit stehe, viel weniger die kulturellen Ursprünge der ausführenden Musiker. Mit dem improvisatorischen Ansatz des „Orkestra Crosscultura“ wolle er das wechselseitige voneinander Lernen der unterschiedlichen Musikstile und Genres weiter verfolgen.
Ziele und Inhalte des Projektes „Brückenklang“ wurden von der Projektmanagerin Anne Tüshaus präsentiert.
Impulsreferate und World Café
Der interkulturellen Öffnung und Zielgruppenansprache aus Veranstaltersicht widmete sich Robert Hillmanns vom Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation in Düsseldorf. Der steigende Anteil der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund bedeute für den Kulturbetrieb aus gesellschaftlich-kulturpolitischer wie auch ökonomischer Sicht neue Arbeits- und Vorgehensweisen. Dabei verwies Hillmanns auf vier Strategieebenen zur interkulturellen Öffnung als Veranstaltungsstätte in Bezug auf Personal, Publikum, Programm und Kooperation. Ziel sei es, die gesellschaftliche Realität widerzuspiegeln, indem mehr Menschen mit Migrationshintergrund auf, vor und hinter der Bühne gewonnen werden sollten. Im „zakk“ werde Interkultur als Querschnittsaufgabe aller vier Sparten (Kabarett, Konzert, Wort&Sprache und Party) betrachtet. Damit habe sich die Institution in den vergangenen Jahren auf dem Weg der interkulturellen Öffnung erfolgreich entwickelt, so Hillmanns. Erfolgsfaktoren interkultureller Öffnung im „zakk“ seien zusammenfassend betrachtet die langfristige und aktive Prozessgestaltung, die Umsetzung als Querschnittsaufgabe, feste Verantwortlichkeiten, Unterstützung der Leitungsebene und Kooperation.
Im anschließenden World Café beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiterführend mit insgesamt drei Fragestellungen zum selbigen Thema. Ein reger Austausch zum Verständnis interkultureller Veranstaltungen, möglicher Barrieren in der Ansprache interkultureller Zielgruppen und Ansätze der Überwindung dieser Barrieren fand dank des guten Wetters auf der Außenterrasse der Zeche statt.
Nuray Ateş wagte im anschließenden Diskurs die Herausstellung von Besonderheiten interkultureller Kommunikation. Im Dialog seien neben der inhaltlichen Sachebene die unterschiedlichen Perspektiven der persönlichen Ebene, der emotionalen Ebene, des Zieles der Kommunikation sowie kultureller Besonderheiten zu berücksichtigen. Kulturelle Unterschiede gäbe es besonders in Bezug auf den Fokus der Sach- versus Beziehungsebene und der direkten versus indirekten Ebene. Im Austausch mit Menschen die der deutschen Sprache nicht fließend mächtig seien, führte Ateş eine strukturierte Gesprächsführung, die Wiederholung wichtiger Inhalte und ausreichend Zeit als Gelingensfaktoren für interkulturelle Kommunikation auf.
Musikbeiträge
Enver Yalçin Özdiker sorgte mit dem „Nefes Chor und Ensemble“ für die musikalische Gestaltung des Begegnungstages. Dabei präsentierte die Formation einen Auszug des letzten Konzertprogramms „Sezen Aksun -geliebte und vergessene Lieder“ vom Valentinskonzert am 14.02.2016 im ChorForum Essen. Türkische Werke wie „Sana nerden Gönül verdim“ (Warum habe ich mich in dich verliebt), „Sevidim bir gen“ (Ich liebe eine junge Dame) oder „Kolay olmayacak“ (Es wird nicht einfach) füllten den Festsaal der Zeche mit schwelgenden Klängen. Ein Kontrastprogramm dazu bot das „Orkestra Crosscultura“ in Quartettbesetzung. Peter Wingender, Stefan Schlemmer, Jürgen Haus und Markus Stollenwerk sorgten für situativ entstehende Klänge, ganz ohne Noten, ohne Dirigat und ohne Vorgaben. Der improvisatorische Ansatz des Ensembles wirkte über den Bühnenrand hinaus. Die mit elektronischen und akustischen Instrumenten erzeugten Klangwelten führten zu einer Interaktion mit dem Publikum und fungierten als Transmitter zwischen den Welten.
Durch den Tag moderierte Eva Luise Roth vom Landesmusikrat NRW. Kooperationspartner der Veranstaltung waren die Landesmusikakademie NRW, CrissCross e.V. und die Zeche Carl Essen. Die zusammenfassenden Ergebnisse des Begegnungsforums stehen in Kürze unter folgendem Link zur Verfügung: <link brueckenklang begegnungsforen>www.lmr-nrw.de/brueckenklang/begegnungsforen/
rvz/at
Fotos: Vortrag von Robert Hillmanns; Nefes Chor und Ensemble mit Yalcin Özdiker; World Café mit Hillmanns; Vorstellung des Projekts "Brückenklang" durch Anne Tüshaus; Hillmanns und Moderatorin Eva Luise Roth; Fotos: LMR NRW, Brückenklang.