Am Abend des 19. April und am darauffolgenden Tage kamen in der Landesmusikakademie NRW an die 120 Musikpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Organisatorinnen und Organisatoren zusammen, um über Verbesserungen der musikalischen Arbeit in Kindertagesstätten zu beraten. Die Kooperationspartner Bertelsmann-Stiftung, Peter-Gläsel-Stiftung und Landesmusikakademie boten Fachvorträge, Projektpräsentationen und Diskussionsforen an. Im Vordergrund stand der allgemeine Wunsch, einen Überblick über das zu gewinnen, was derzeit an Musik in Kindertagesstätten angeboten wird. Wie ein roter Faden zog sich die These durch die Präsentationen, dass die Musik in den Alltag der Kinder integriert werden muss, soll eine dauerhaft wirkungsvolle Begegnung stattfinden.
Die Vielzahl der Konzepte ist erstaunlich - darin unterscheidet sich die Musikalische Bildung im Kita-Alltag nicht von anderen Situationen der Kulturellen Bildung in Nordrhein-Westfalen. Viele Einzelprojekte vieler Träger summieren sich über die Regionen hinweg zu einer konzeptionellen Heterogenität, über die die Tagungsorganisatoren beherzt Überblick zu vermitteln versuchten.
Der einleitende Abend diente zuvorderst der Vernetzung der Akteure. Knapp siebzig waren bereits angereist und tauschten sich in der Burgschänke der Akademie aus. Wer sich im Pulk vielleicht anfangs noch schwer tat, fühlte sich spätestens zuhause, als Peter Ausländer alle Anwesenden zum chorischen Singen ins hallige Treppenhaus bat und beeindruckende Klangschwaden auslöste.
Nach der offiziellen Begrüßung am nächsten Morgen durch die Akademiedirektorin Antje Valentin und den Trägervorsitzenden Reinhard Knoll sowie durch Dr. Ute Welscher von der Bertelsmann-Stiftung, sorgte Staatssekretär Prof. Klaus Schäfer vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW für das Eröffnungsreferat. Energisch trat er für die angemessene Betrachtung des selbständigen Elementarbereichs mit seinen spezifischen fachlichen Anforderungen ein und wehrte sich gegen die Begrifflichkeit des "Vorschulischen".
Johannes Beck-Neckermann von der Fachakademie Schweinfurt plädierte in seinem Referat über die Gelingensbedingungen für nachhaltige Lernprozesse in Kitas dafür, dass man die Kinder immer in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt und dass man davon ausgeht, dass diese die Musik mitbringen. Aufgabe des Pädagogen ist es, Freiräume zu schaffen, in denen die Kinder selbst Klänge und das musikalische Ausdrücken entdecken können.
Karoline Braun beschäftigte sich mit Kooperationsformen zur Erweiterung des musikalischen Angebots und berichtete von ihrer Arbeit für die Musikschule des Emslandes und die Hochschule Osnabrück in Kindertagesstätten. Das, was sie als Hochschuldozentin an Konzepten für Mentorinnen in Kitas erarbeitet, testet sie als Mentorin in Kitas quasi im Selbstversuch.
Zwischendurch sorgte Peter Ausländer mit weiteren Singexperimenten dafür, dass der Puls der Tagungsbesucher munter blieb, und nach den Referaten zogen diese schubweise in einem "Gallery-Walk" von einem Praxisbeispiel zum nächsten. Das Kita-Programm des Chorverbands NRW "Toni singt" und das entsprechende Programm des Volksmusikerbunds NRW "Musikus", die Qualitätsoffensive "Felix & Die Carusos" des Deutschen Chorverbands, die Musikalisierung von Kitas durch Musikschulen in Niedersachsen, die Musik-Kita "Mäuseburg" im brandenburgischen Stahnsdorf, das "Klingende Haus" in Lüdenscheid, der "Düsseldorfer Musikkindergarten" von Jugendamt und Clara-Schumann-Musikschule, die Musikalisierung der Kita Pöppenteich durch die Peter-Gläsel-Stiftung, das Programm der Musikschule Bochum "Elementare Musische Erziehung in Kindertagesstätten", das Projekt "Kita musica" zur Zertifizierung der Musikerziehung in Kitas, das Projekt "KISUM-Musikkindergarten" in Weimar-Niedergrundstedt sowie der Musikkindergarten der Staatsoper Berlin präsentierten ihre Konzepte und Ergebnisse. Ihnen zur Seite standen Präsentationen von Ausbildungs- und Fortbildungsangeboten Musik für Erzieherinnen.
Ein "Worldcafé" führte die Tagungsbesucher in Fünfergruppen an Stehtische, an denen "Gastgeber" sie mit zwei Fragen konfrontierten: "Was beinhaltet für Sie der Begriff Musikalisierung des Kita-Alltags“ und "Wie kann diese Musikalisierung gelingen?" In vielen der Gruppendiskussionen zeigte sich, dass Musikpädagoginnen und -pädagogen einen durchaus anderen Blickwinkel auf die Probleme haben als Erzieherinnen. Letztere hatten zuweilen ihre liebe Not, weitere Anforderungen an ihren Berufsstand, aber auch an die Ausbildung der Erzieherinnen in den Fachschulen und Fachoberschulen in realistischen Größen zu halten. Schon Staatssekretär Schäfer hatte in seinem Eröffnungsreferat deutlich gemacht, dass die gegenwärtige Tendenz, den Erzieherinnen neue Kompetenzen und Aufgaben zuzuweisen, zu weit ginge. Man könne glauben, dieser Berufsstand solle die Welt retten.
Die Antworten der Gruppendiskussionen wurden auf Karten festgehalten, die dann in thematisch fokussierten Clustern die Bühne des Konzertsaals bedeckten. Der Moderator der Tagung, Stefan Wolf von der "Peter Gläsel Stiftung", trug auszugweise Ergebnisse aus den Clustern vor und stellte sie dann zur Diskussion. Das Fazit Antje Valentins fiel positiv aus. In der Tat ist in Hinblick auf Überblick und Vernetzung viel erreicht worden, und die Akademieleiterin stellte eine Fortsetzungstagung für 2013 in Aussicht. Ute Welscher zeigte sich froh über die Vielzahl der Anregungen, die sie mitnehmen konnte, dämpfte auch vorsichtig eventuelle Erwartungen, was die Umsetzungsmöglichkeiten seitens der Bertelsmann-Stiftung angeht.
Viel Applaus galt beiden Damen, dem Moderator Stefan Wolf sowie Anke von Hollen von der Bertelsmann-Stiftung für die Konzeption und perfekte Organisation der Tagung. Erfreulich ist auch, dass die Projektpräsentationen und die Ausbildungs- und Fortbildungsangebote Musik für Erzieherinnen in einer streng systematisierten Form, die den Überblick fördert, als farbig gedruckte Broschüre vorgelegt wurden, von der auch diejenigen, die die Tagung nicht besuchen konnten, profitieren können.
rvz
Foto: Antje Valentin (Mitte rechts), Annegret Schwiening-Scherl und Teilnehmergruppen im Worldcafé. Peter Ausländer (rechts) und drei Codirigenten rhythmisieren den Kanon "Bruder Jakob" mit den Tagungsbesuchern neu. Fotos: LMR NRW.