Schnee und Eis konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Chor-Fachtagung am 11. Februar nicht schrecken. Zahlreich waren sie aus ganz Nordrhein-Westfalen angereist, um die Referenten Dr. Karl Ermert und Dr. Ali Sak zu hören und Berichte von Projekten zum Beispiel des Willkommenschors Köln und des Nefes-Ensembles, in einem Probenworkshop mit dem Türkisch-Deutsche Projektchor zu singen und sich auszutauschen.
Eröffnet wurde der Reigen der Erhellung von Dr. Karl Ermert, der als Leiter des Forschungs- und Diskursvorhabens „Chormusikkultur und Migrationsgesellschaft – Projekt zur Erkundung und Entwicklung der Möglichkeiten, Chöre als Orte interkulturellen Lernens zu gestalten“ des Arbeitskreises Musik in der Jugend e.V., eine Reihe von Zahlen und Fakten vorstellte, für das Publikum einordnete und umfassend analysierte. Diese Daten waren grundlegend für den Verlauf der gesamten Diskussion. Eine Erkenntnis aus diesem bereichernden Vortrag ist sicher, dass Integration keine Einbahnstraße ist, hier sind die jeweiligen Mehrheiten und die Minderheiten gefordert, miteinander ihre Lebenswelt zu gestalten. (Wer sich für die Veröffentlichung dazu interessiert findet sie hier: <link http: www.amj-musik.de> PDF-Datei (167 Seiten, 5,1 MB) auf AMJ-Website)
Einen umfassenden Überblick über die Musikszene der türkischen Community gab Dr. Ali Sak und es zeigte sich, dass die Probleme was zum Beispiel Räume, Nachwuchs oder Förderung angeht, wie in der tradierten Laienmusikszene bestehen – woraus sich zahlreiche Anknüpfungspunkten für eine gemeinsame Arbeit ergeben können. Dr. Saks Darstellung der Geschichte der türkischen Musik führte zu regen Diskussionen, was insgesamt die Stimmung der Tagung kennzeichnete, lebendige Diskussionen und aktive Teilnahme aus dem Publikum. So schilderten zahlreiche Teilnehmer ihre positiven Erfahrungen aus Chören und Ensembles, aber auch die Probleme wurden nicht ausgespart. Gerade in der Arbeit mit Geflüchteten ist die regelmäßige Chorarbeit, im Verein schwierig, weil Geflüchtete oft gar nicht Herr ihres Aufenthaltsortes und ihrer Zeit sind, so das plötzlich Chorsänger „verschwinden“ und nicht sofort klar ist wohin.
Hier schloss der Bericht von Lena de Terry an, die gemeinsam mit Joachim Geibel den Kölner Willkommenschor ins Leben gerufen hat. Der Chor spricht alle an, die Spaß am gemeinsamen Singen haben. Gesungen wird ohne Noten, wesentlich ist das voraussetzungsoffene Musizieren. Der Vortrag von Lena de Terry zeigte, dass zum Teil eher organisatorische als kulturelle Hürden überwunden werden müssen.
Enver Yalçin Özdiker stellte das Projekt „Tango mediterran“ des Nefes-Ensembles vor, das sich weniger mit logistischen Fragen beschäftigen muss und sich im Wesentlichen der Musik widmen kann. Die mitgebrachte musikalische Kostprobe nahm das Auditorium begeistert auf.
Der Workshop mit dem Türkisch-Deutschen Projektchor des Chorverbands NRW unter Leitung von Enver Yalçin Özdiker brachte für alle Beteiligten aktive Erfahrung in Interkultur, es wurden Lieder unterschiedlicher Kulturen einstudiert. Alle Beteiligten waren mit Feuereifer dabei, auch wenn die eine oder andere phonetische Schwierigkeit nicht zu einhundert Prozent gemeistert werden konnte.
Am Ende des Tages wurde die Frage gestellt, wo man sich in fünf Jahren sehen würde. Die Hoffnungen gingen dahin, dass das Verständnis für das Miteinander der Kulturen wachse, die daraus entstehenden kulturellen Hervorbringungen mehr werden und das auch die Strukturen die zum Mitmachen an diesem Prozess einladen, besser werden.
Die Interkulturelle Chor-Fachtagung NRW fand im Rahmen des Förderprojekts „Brückenklang“ als Kooperation von Chorverband NRW, Landesmusikakademie NRW und Landesmusikrat NRW statt und wurde gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport.
(Eva Luise Roth)
Fotos: Nefes-Ensemble, Ltg.: Enver Yalçin Özdiker, mit dem Projekt „Tango mediterran“ bei der Chorfachtagung Interkultur NRW am 11.02.17 in der Landesmusikakademie NRW; Dr. Karl Ermert; Dr. Ali Sak. Fotos: LMR NRW