Seit dreißig Jahren führt die Junge Bläserphilharmonie NRW begabte Bläserinnen und Bläser aus dem Bundesland zusammen. Kaum ein Konzerthaus im Land, das sie nicht schon erlebt hätte, kaum ein Kontinent, der nicht schon bereist worden wäre. 1985 von Reinold Rogg, dem damaligen Leiter der Musikschule Krefeld, als LandesJugendBlasorchester gegründet, hat sie ab 1997 vor allem der Dirigent Pierre Kuijpers musikalisch geprägt und ihren Bläserklang wahrhaft symphonisch geformt, seit vier Jahren nun führt Harry Vorselen den Stab, und wenn zur Zeit des Umbruchs von Kuijpers zu Vorselen noch einige geunkt haben mögen, das hohe Niveau sei nicht zu halten, dann sind diese längst respektvoll verstummt.
Auch der Trägerwechsel tat dem Klangkörper bislang gut. Vor zehn Jahren noch hatte der Landesmusikrat NRW die Junge Bläserphilharmonie allein getragen, dann verband er sich mit dem Landesverband der Musikschulen in NRW zu einer Partnerschaft, in der die Musikschulen den organisatorischen Part übernahmen und die Bläser näher an ihre Mitglieder heranführten. 2011/2012 übergab der Landesverband die Rolle des durchführenden Trägers der Bläserphilharmonie an den neu gegründeten Verein zur Förderung von Landesjugendensembles NRW. Dieser organisiert das Landesjugendorchester NRW, die Junge Bläserphilharmonie NRW, das Kinderorchester NRW und Kammermusikförderung. Im Vorstand des Vereins sind die Musikschulen, der Volksmusikerbund NRW und die Fördergesellschaft der Landesmusikakademie NRW vertreten, so dass diese beiden Landesjugendensembles auf eine noch breitere Basis gestellt sind.
Einer der Reformschritte, die der Verein vollzog, war die Verjüngung der Bläserphilharmonie. Die exzellente musikalische Qualität war zum Teil erfahrenen Kämpen zu verdanken, die seit vielen Jahren segensreich an den Pulten wirkten, was aber den Generationenwechsel etwas behinderte. Dass der Verein diese mit der Altersbegrenzung nicht vor den Kopf stieß, sondern dass diese der Bläserphilharmonie noch eng verbunden sind, zeigte sich beim Jubiläumswochenende vom 12. und 13. September im Porzer Engelshof.
Vorträge, Diskussionen und vor allem Konzerte folgten dicht aufeinander. Am Sonntag waren nahezu permanent Bläserklänge in dem alten Bürgerzentrum zu hören. Es waren Ensembles, die teils aus der Bläserphilharmonie gebildet worden waren, oder auch angereiste Ensembles, in denen sich ehemalige Musikerinnen und Musiker hervortaten. Selbst das exzellente Blasorchester des Gymnasiums Paulinum, das eigens aus Münster in einem Reisebus nach Porz fuhr, wies an einigen Pulten Gesichter auf, die man aus der Jungen Bläserphilharmonie kennt.
Volker Gerland, der Vorsitzende des Vereins zur Förderung von Landesjugendensembles NRW, begrüßte das Publikum am Samstag mit einer rhetorischen Parforce durch die Geschichte des Orchesters und mit dem entwaffnenden Geständnis, dass er selbst ja Gitarrist sei. Der scheinbar kokette Aufschlag führte zu einer Analyse von parallelen Erscheinungen in der zupfenden und in der blasenden Laienmusikwelt. Letztlich eint die Förderer dieser Musiklandschaft ein Ziel, so Gerland: „Wir müssen die jungen Menschen dann auf eine passende Weise ins Orchester holen, wenn es darum geht, zu Konstrukteuren ihrer eigenen Bildungslaufbahn zu werden.“
Freia Kollar aus der Geschäftsstelle des Vereins hatte die beiden Tage mit Liebe zum Detail organisiert, unterstützt von ihren Kolleginnen, von denen einige zwischendurch zu Arbeitsphasen anderer Klangkörper des Vereins reisen mussten. Den eigentlichen Rückblick auf die Arbeit der Bläserphilharmonie und auf die Entwicklung der Blasmusik in dieser Phase vermittelte Felix Hauswirth als Referent. Der Künstlerische Leiter des Sinfonischen Jugendblasorchesters Baden-Württemberg ist ein Kenner dieser Geschichte und sorgte für einen detailreichen Überblick. Der Komponist Eduard de Boer ist hingegen ein Experte für den Tonsatz einer gelungenen Blasmusik. Er blickte in die Strukturen von Partituren, die als Originalkomposition oder als Arrangement sinfonischen Blasorchestern auf den Leib geschrieben sind.
Alexandra Link vom Markgräfler Verbandsblasorchester referierte die Ergebnisse einer Fragebogenaktion zur Zukunft der Musikvereine. 8.000 Aktive hat sie mit Bögen beschickt, immerhin 3.000 haben geantwortet, vornehmlich Bläser aus Mittel- und Oberstufenblasorchestern. Link gab einen facettenreichen Abriss der Szene in Deutschland, in der ein Drittel der Orchester nur mit Aushilfen spielfähig ist und in der immerhin 52 % mit Musikschulen kooperieren. Die Nachwuchsarbeit nimmt einen hohen Stellenwert ein, immerhin 80 % der Vereine unterhalten ein Kinder- oder Jugendorchester, und viele von diesen lassen die Jugendlichen auch an Entscheidungsprozessen partizipieren. Gleichwohl spüren fast alle die schmaler werdenden zeitlichen Budgets der Aktiven. In den Kooperationen mit allgemein bildenden Schulen machte Link eine rückläufige Tendenz aus.
Wer sich für die Vorträge nicht erwärmen konnte, den ließ spätestens der Sonntag aufhorchen. Wegen der Wetterlage mussten einige der eigentlich im Innenhof angesiedelten Konzerte in Innenräume des Engelshofes verlegt werden. Der Akustik schadete das nicht. Es spielten etwa das Rhein.Klang.Flötenquartett und das Ensemble Tetrachord mit der Flötistin Franziska Föllmer, die früher in der Bläserphilharmonie mitspielte. Die Musiker der Jungen Bläserphilharmonie arbeiten in etlichen Teil-Ensembles zusammen, die muntere Programme boten, darunter ein Schlagwerk-Ensemble, ein Trompetenquartett, ein Saxophonquartett, das Ensemble Backblech und das Ensemble OhrenStrauss, das zu den wenigen gehörte, die wirklich Open Air spielen konnten, nämlich eine perlende Interpretation der B-Dur-Suite für 13 Bläser von Richard Strauss, geleitet von Andreas Gosling.
Aus Münster kam das erwähnte Blasorchester Paulinum. Sein Dirigent Alfred Holtmann gratulierte der Jungen Bläserphilharmonie NRW sowohl mit Geschenken als auch mit der Einladung zum Mitspielen: Rings um das Publikum aufgestellt spielten Musiker beider Orchester Jacob te Haans mitreißende „Queen’s Park Melody“. Von der anderen Kölner Rheinseite kam als ein Gruß aus der Reihe der Landesjugendensembles das Studio Musikfabrik, das unter der Leitung Peter Veales u.a. das faszinierende „Octandre“ von Edgar Varèse bot. Mit großem Sound intonierte die Youth Brass Band NRW unter Leitung von Martin Schädlich zwei Sätze aus Philip Sparkes „Suite from Hymns of the Highland“, und weil die beiden Sätze nicht unverbunden nebeneinander stehen sollten, studierte Schädlich mit dem Publikum einen furiosen schottischen Donner aus Füßetrampeln zur Zwischenmoderation ein.
Manche Besucher werden sich gefragt haben, wie die Junge Bläserphilharmonie NRW diesen Geburtstagsreigen noch toppen wolle. Doch im Abschlusskonzert verwiesen die Musikerinnen und Musiker des Landesjugendensembles und ihr Dirigent Harry Vorselen mit souveräner Spielklasse bei Respighis „Königin von Saba“ und Reeds 5. Sinfonie auf die Messlatte symphonischen Bläserspiels. Um die weitere Entwicklung bis zum 50-jährigen Jubiläum konnte einem nicht bang werden.
rvz
Fotos: Die Junge Bläserphilharmonie NRW unter Leitung von Harry Vorselen im Abschlusskonzert am 13. September 2015 im Porzer Engelshof; das Ensemble OhrenStrauss unter Leitung von Andreas Gosling im Innenhof des Engelshofs; das Blasorchester Paulinum unter Leitung von Alfred Holtmann im Konzertsaal des Engelshofs; das Ensemble Backblech im Innenhof; die Youth Brass Band NRW unter Leitung von Martin Schädlich mit dem Solisten Bastian Robben. Fotos: LMR NRW.