"Und sonst?" fragte Witolf Werner etwas ratlos sein Publikum, als die Flötengruppe seines Orchesters nicht mehr auftauchte und das Programm stockte. Der Moderator und Dirigent, sein großes und blutjunges Sinfonieorchester sowie viele Ehemalige des Orchesters boten ein munteres und künstlerisch hochklassiges Jubiläumskonzert im neuen Bochumer Anneliese Brost Musikforum, dessen akustische Besonderheit in Glanz erstrahlte. Zumal Witolf Werner bei der Ausführung der "Unanswered Question" von Charles Ives Bläsergruppen auf den Balkonreihen rings um das Publikum positionierte, die alle Schallreflexionsmöglichkeiten des Saals ausloteten. Und die danach nicht alle den geraden Weg zurück zur Bühne fanden, was der Moderator selbstironisch moderierend in den Programmablauf integrierte.
Vor zehn Jahren ist dieser Klangkörper als Kinderorchester Ruhr auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers entstanden und zum Glück von der nachfolgenden Regierung Hannelore Krafts weitergetragen worden. Angesiedelt war es bei der Musikschule Bochum, dessen stellvertretender Leiter Norbert Koop in einem Redebeitrag an die Gründungszeiten erinnerte. Er als Organisator und Gottfried Engels als beherzter künstlerischer Leiter stellten damals das Orchester in kurzer Zeit auf die Beine. Im Kern waren es vor allem junge lokale Kräfte und die musikalische Qualität musste erst erarbeitet werden. Witolf Werner ironisierte die Erinnerung an das erste Konzert durch eine Wiedergabe von Mozarts Ouvertüre zur Zauberflöte mit Brüchen und clusterhaften Akkordbildungen - ein lustiges Zerrbild, gegen das sich Norbert Koop dann doch zu Recht verwahrte.
Die Trägerschaft des Orchesters ging dann auf die Stiftung Jedem Kind ein Instrument in Bochum über, später auf die Partner Landesmusikrat NRW und Verein zur Förderung von Landesjugendensembles NRW, die den Klangkörper zu einer Fördermaßnahme mit landesweitem Einzug umstrukturierten. Die damit verbundenen Ziele erläuterte der Vereinsvorsitzende Volker Gerland: Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die einzelnen Musikerinnen und Musiker mit ihren ganzen Persönlichkeiten, nicht nur instrumentale Fertigkeiten.
Dass dieses durchaus gelingt, davon zeugten drei ehemalige Mitglieder, die jetzt Jungstudierende bzw. Studierende an den Musikhochschulen in Düsseldorf und Würzburg sind. Sie standen Witolf Werner auf der Bühne Rede Antwort. Das Fördern und Fordern ist nicht nur viel Arbeit für die Träger und ihre Organisatorinnen, es verlangt zumal von den Kindern und ihren Eltern viel. Nicht immer ist durchgehend Begeisterung dabei, manche Strecke muss auch durchgestanden werden. Beredt der Satz einer Flötistin unter den Ehemaligen auf der Bühne: "Ich bin so froh, dass ich hierher geschickt wurde."
Von daher war es nur angemessen, dass der Verein zur Förderung von Landesjugendensembles und seine Organisatorin Lena Zimmer viele Ehemalige eingeladen hatten, beim Konzert mitzuspielen. So den Finalsatz aus Dvoraks 9. Sinfonie in originaler, also nicht kindgerecht vereinfachter Fassung. Die große sinfonische Schar bot ein präzises und mitreißendes Erlebnis, das dem neuen Anneliese Brost Musikforum Ruhr würdig war.
rvz
Fotos: Das Kinderorchester NRW unter Leitung von Witolf Werner am 20. November 2016 im Anneliese Brost Musikforum Bochum in regulärer und erweiterter Besetzung mit Ehemaligen; Fotos: LMR NRW.