Es ist nicht zu bestreiten, dass die Seuchensituation in der Welt, in Europa und in unserem Land jetzt neue Einschränkungen erfordert. Frau Merkel ist zuzustimmen, wenn sie sagt, wir müssen jetzt verantwortungsbewusst handeln, um die Freiheit auf Dauer zu bewahren. Der totale Kultur-Lockdown überall dort, wo Publikum zusammenkommt, ist ein Schock, hat sich die Kulturszene doch bemüht, den Hygieneauflagen nachzukommen und neue Formate zu entwickeln. Die Regierung argumentiert, dass diese Konzepte ihre Wirksamkeit nicht mehr entfalten. Vor allem ist in 75 Prozent der Fälle offenbar nicht mehr festzustellen, wo die Risikoursachen liegen. Das sind neue alarmierende Feststellungen.
Für die Kulturszene sind die Beschränkungen schmerzhaft. Sie könnten den Eindruck erwecken, dass die Kultur in ihrer gesellschaftlichen Rolle nicht hinreichend gewürdigt wird und als Teil des Freizeitvergnügens angesehen wird. Dagegen steht immerhin, dass in den letzten Monaten nach langem Zögern Rettungsschirme für die Kultur, sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene, realisiert worden sind, nicht zuletzt auch durch unser Drängen. Und auch jetzt nimmt die Politik wahr, dass die Folgen erheblich sind. Dennoch stellt sich die Frage, ob man nicht differenzierter hätte vorgehen können. Gerade in der Krise hat Kultur für viele Menschen eine wichtige Funktion. Die Maßnahmen sollten in ihrer Wirkung in kurzer Frist überprüft werden.
In der jetzigen Situation kommt es darauf an, die Folgen aufzuzeigen, also die existentiellen Gefahren für Künstlerinnen und Kultureinrichtungen. Die zugesagte materielle Hilfe muss schnell und wirksam erfolgen. Aber auch nach der Totalschließung muss alles unternommen werden, um zu verhindern, dass bewährte Strukturen zusammenbrechen und viele Menschen ihre Existenz verlieren. Neue Rettungsschirme müssen aufgespannt werden - spätestens mit Beginn des nächsten Jahres. Der Reichtum kultureller Aktivitäten in unserem Land muss erhalten, muss gerettet werden. Die Kultur ist die Schwester der Freiheit.
Gerhart Baum, Vorsitzender Kulturrat NRW
(Pressemitteilung des Kulturrats NRW vom 29.10.2020)