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Nachhaltigkeit von Kooperationen: Keine Universalrezepte

Vortrag und Diskussion zum Thema „Kooperationen im Bereich der kulturellen Bildung“ am 28. November in der Landesmusikakademie NRW

Der öffentliche Teil der Mitgliederversammlung des Trägervereins der Landesmusikakademie NRW am 28. November im Konzertsaal der Akademie in Heek-Nienborg war dem Thema „Kooperationen im Bereich der kulturellen Bildung“ gewidmet. Adrian Rudershausen (Bremen) stellte zunächst die Ergebnisse seiner Studie „Nachhaltige Allianzen zwischen Schule und Kultur“ vor, daran schloss sich ein Podiumsgespräch an.

Studie von Adrian Rudershausen „Nachhaltige Allianzen zwischen Schule und Kultur“

Rudershausen erläuterte, dass die Studie 2010 vor dem Hintergrund einer Umstrukturierung des Bildungsbereichs in Bremen – insbesondere dem Ausbau der Ganztagsschule und der Einführung der Oberschule im Rahmen eines zweigliedrigen Schulsystems – entstanden sei. Die allgemein bildenden Schulen standen vor der Aufgabe, vermehrt externe Partner zu finden und sich für Kooperationen zu öffnen. Zwar existierten viele Beispiele für projektorientierte und auch für langfristige Zusammenarbeit, jedoch fehlte es an Kontakten zwischen den verschiedenen Kooperationen und damit an der Möglichkeit eines Erfahrungsaustausches der Akteure. Viele Erfahrungen beim Aufbau und bei der Verstetigung von Kooperationen wurden deshalb unter hohem Aufwand immer wieder von Neuem gemacht.

Rudershausen nahm vorweg, dass sich kein Patentrezept ergeben habe, Kooperationen nachhaltig zu gestalten, da es zu viele Parameter gebe. Es komme auf die Rahmenbedingungen, die Menschen, die Ressourcen und die Strukturen an. Es sei aber hilfreich, wenn man sich auf mögliche Probleme, die auftreten könnten, einstelle.

Die „verschiedenen Geschwindigkeiten“ von Schule und Kultureinrichtungen aufgrund der unterschiedlichen Strukturen führten immer wieder zu Problemen. In der Kultur sei man an schnelle Entscheidungen und Flexibilität in den Entscheidungsprozessen gewöhnt. Für Schule seien lange Abstimmungswege bezeichnend; schnelle Lösungen gebe es nicht, wenn bis zur nächsten Konferenz gewartet werden müsse. Neben intransparenten Kommunikationswegen könnten auch verschiedene Methodiken ein Konfliktpotenzial bergen. Bei Kooperationen träfen in der Regel verschiedene Routinen aufeinander. Es sei aber wichtig, prozessorientiert zu handeln. Wer Neues entwickeln wolle, müsse auch Räume für Kreativität öffnen.

Rudershausen: Schriftliche Fixierung von Absprachen sichert Nachhaltigkeit

Auf beiden Seiten der Kooperation brauche es engagierte Betreiber, die viel Engagement mitbrächten. Nötig sei aber auch ein struktureller Rückhalt in den Institutionen. Die Leitung müsse hinter der Kooperation stehen, in den Schulen möglichst auch die Kollegien. Damit Kooperationen Bestand haben könnten, wenn beteiligte Personen wechselten, sollten verbindliche Absprachen schriftlich fixiert werden – hierzu fehle aber oft die Zeit. Dadurch gründeten sich Kooperationen häufig in erster Linie auf dem Vertrauen der Personen untereinander und der eingespielten Zusammenarbeit der Akteure.

Rudershausen führte weiter aus, dass zu den Ressourcen, die geprüft werden müssten, neben Zeiten, Räumen und der Frage der Finanzierung auch die Belastbarkeit von Personen zähle. Angesichts des hohen Organisationsaufwands stelle sich die Frage: Warum überhaupt kooperieren? Mögliche Antworten seien die Öffnung zu neuen Bereichen, Partner zu finden und neue Zielgruppen zu erschließen. Schülerbefragungen hätten beispielsweise gezeigt, dass bei Kulturprojekten in Schulen auch Bereiche wie Bühnenbild oder Öffentlichkeitsarbeit bei Schülern auf großes Interesse stoßen.

Zur guten Vorbereitung einer Kooperation gehöre, dass die Kooperationspartner gemeinsame Ziele formulierten. Es gehe dabei darum, verschiedene Kompetenzen einzubringen und zu nutzen – nicht, sich aneinander anzugleichen. Wünschenswert seien gemeinsame vorbereitende Workshops mit den Beteiligten. Ansprechpartner, Schrittfolgen und Meilensteine gelte es festzulegen. Man sollte überlegen, welche Probleme auftauchen könnten, um sich im Vorfeld eine Strategie zu überlegen. Eine qualitative Weiterentwicklung von Kooperationen sei erst in der langfristigen Perspektive möglich. Die Potenziale entfalteten sich erst nach einiger Zeit.

Zur Frage von personellen Wechseln erläuterte Rudershausen, dass ein personeller Wechsel in einer frühen Phase der Kooperation eine Weiterführung in der Regel verhindere. Er verwies auf das Beispiel einer Kooperation der Bremer Musikhochschule mit einer Schule, bei der nach der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung die Kooperation zum Erliegen kam – ausgelöst durch den Wechsel der Person, die die Kooperation organisatorisch und inhaltlich betreuen sollte. Wenn eine Prozessdokumentation existiere, die Schritte und Ansprechpartner nennt, sei eine Übertragbarkeit möglich. Allerdings müsse die Kooperation schon eine Zeitlang praktiziert worden sein, damit sie durch nachfolgende Personen fortgeführt werden könne.

Öffentliche Förderung bevorzugt Modellprojekte

Hinsichtlich der Finanzierung durch öffentliche Mittel bemerkte Rudershausen, dass die Modellbildung – in Bremen, aber wahrscheinlich nicht nur hier – häufig öffentlich gefördert und unterstützt werde. Ein Problem gebe es im Allgemeinen aber, wenn man die öffentliche Förderung langfristiger Strukturen anstrebe. Bei Antragstellern führe dies mitunter dazu, dass sie mit hohem Aufwand „alten Wein in neue Schläuche“ füllen müssten, um gefördert zu werden.

Eine Kooperation brauche einen konkreten Anlass. Man könne sich aber bereits darauf vorbereiten, denn Gelegenheiten gebe es immer wieder. Rudershausen erläuterte am Beispiel Bilbao, wie strukturelle Investitionen bedeutsam wurden, als das Guggenheim-Museum einen Standort für ein Museum in Europa suchte, wodurch wiederum der Standort aufgewertet wurde („Bilbao-Effekt“).

Die von der Arbeitnehmerkammer Bremen herausgegebene Studie „Nachhaltige Allianzen zwischen Schule und Kultur“ von Adrian Rudershausen (2011) kann über folgende Internetseite heruntergeladen werden:
<link http: www.arbeitnehmerkammer.de publikationen politikthemen-bildung.html>www.arbeitnehmerkammer.de/publikationen/politikthemen-bildung.html


Podiumsdiskussion zur Frage der Nachhaltigkeit von Kooperationen

Robert v. Zahn bedauerte in seiner Überleitung zur anschließenden Podiumsdiskussion, dass der Referent das Problem, wie eine Kooperation weitergeführt werden kann, wenn Akteure auf einer oder beiden Seiten ausscheiden, nicht so einfach aus dem Weg habe räumen können. Mit dieser Frage konfrontierte er nun die Teilnehmer der Diskussionsrunde und bat um Beispiele und Einschätzungen, ob Kooperationen unabhängig von den Personen Bestand haben könnten.
Bernd Nawrat, Landesgeschäftsführer des Volksmusikerbunds NRW, stellte drei beispielhafte Kooperationen vor. In Detmold biete die Johannes-Brahms-Musikschule für die umliegenden Vereine eine Vorbereitung auf D1-Prüfungen an. In der Nähe von Arnsberg kooperiere des Weiteren ein Blasorchester seit 15 Jahren mit einer Grundschule. Fachkräfte des Musikvereins unterrichteten in der Grundschule Bläserklassen. 75 % der Kinder könnten danach für das Vororchester des Blasorchesters gewonnen werden, das ebenfalls in der Grundschule probe. Dieses Modell habe auch personelle Wechsel überstanden. Als drittes Beispiel wolle er den Spielmannszug in Minden nennen, der mit Kindergärten und einer Grundschule kooperiere. In der Grundschule unterstütze der Spielmannszug gerade die Aufführung eines Musicals, in einem Kindergarten bilde er Erzieherinnen auf dem Keyboard und auf der Gitarre weiter.

Volker Gerland, Leiter der Musikschule der Stadt Dortmund und Vorsitzender des Landesverbands der Musikschulen, verwies auf die 800 Kooperationen von Musikschulen und Grundschulen im Rahmen des Programms „Jedem Kind ein Instrument“. Er halte für das Gelingen von Kooperationen für entscheidend, dass die Kooperationspartner einen Nutzen für die eigene Arbeit durch die Kooperation erführen; dies verleihe der Kooperation auch die notwendige Stabilität. Wenn Gitarrenlehrer ein Zupforchester gegründet hätten und dann gingen, sei eine Fortführung natürlich schwierig. Wenn man aber aus politischen Gründen ein Kulturprojekt mit Roma-Kindern machen wolle, seien die Vereine zum Beispiel ideale Kooperationspartner. Ohne eigenes Interesse entwickelten die Kooperationen kein Leben. Die vertragliche Basis sei für Kooperationen oft gar nicht so wichtig. Beim kommunalen System Musikschule und dem städtischen System Schule komme es zu Eifersucht, wenn Ressourcen vermischt würden. Das gemeinsame Interesse müsse sich auf die Kinder richten. Die Eltern fragten nicht danach, wer letztlich versage, wenn etwas nicht erfolgreich sei. Mit dem Konzerthaus Dortmund habe die Musikschule anfangs nicht kooperiert, weil kein gemeinsamer Nutzen erkennbar gewesen sei. Erst später habe sich ein gemeinsames Interesse ergeben, eine Win-Win-Situation.

Dieter Döben, Studiendirektor an der Bischöflichen Marienschule in Mönchengladbach und im Vorstand des Verbands Deutscher Schulmusiker NRW verantwortlich für die Landesbegegnung „Schulen musizieren“ wies den Vorwurf, Schule sei ein schwer zu verstehendes System, zurück. Kooperationen sollten auf ein Ziel ausgerichtet sein. Als interdisziplinäres Modell führte er die gemeinsame Kooperation der Fachbereiche Musik und Französisch seiner Schule mit dem „Maison de Heidelberg“ in Montpellier an. Seit 15 Jahren gebe es Konzert- und Schülerbegegnungen in Südfrankreich, das Schulorchester werde möglicherweise um so herzlicher empfangen, als der Fachbereich Schulmusik in Frankreich praktisch nicht existiere. Ein weiteres Beispiel sei die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fachbereiche Musik, Sport, Kunst und Deutsch im Bereich Brauchtumskultur. Das institutionell vom örtlichen Karnevalsverband getragene jährliche Konzert probiere alternative Konzepte aus. Die Schülerschaft sei in einer weiteren Kooperation mit dem Theater in die Uraufführung (insgesamt 26 Aufführungen) einer Oper von Friedrich Cerha eingebunden gewesen. Ein Halbjahr lang seien die Mitarbeiter des Theaters für die chorische und choreographische Einstudierung in die Schule gekommen.

Kooperationen sind wie Paarbeziehungen: Es gibt Konfliktphasen

Werner Lohmann, Professor für Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln und Präsident des Landesmusikrats NRW, ließ sich von Moderator Robert v. Zahn nicht auf die Fährte locken, der Landesmusikrat sei doch das Dach von rund 4.000 Mitgliedsvereinen, die praktisch alle kooperierten, so dass er einen Überblick haben müsse … Lohmann berief sich vielmehr auf die sozialpsychologischen Aspekte des Themas Kooperationen und führte an, dass Erkenntnisse der Paarpsychologie durchaus auf Kooperationen übertragbar seien. Irgendwann kämen auch Kooperationen an einen Punkt, an dem es nicht mehr weitergehe, und es sei dann – wie in Paarbeziehungen – eine gute Idee, einen Blick von außen zuzulassen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Aus sozialpsychologischer Sicht seien verschiedene Phasen einer Paarbeziehung zu unterscheiden. Eine Konfliktphase sei praktisch unverzichtbar für jede weitere Entwicklung. Kooperationen würden bedauerlicherweise häufig an diesen Konfliktpunkten aufgegeben. Vielleicht geschähe dies nicht so schnell, wenn man sich vorher auf solche Konfliktphasen einstellen würde. Dies gelte auch für die Kooperationen, die Musikhochschulen eingingen. Wichtig für erfolgreiche Kooperationen sei, dass die gemeinsamen Ziele selbst gesteckt und die Wege dahin selbst gefunden und nicht vorgeschrieben würden.

Robert v. Zahn hakte an diesem Punkt nach: Ist es in diesem Fall nicht um so problematischer, wenn es zu einem personellen Wechsel kommt? Volker Gerland verwies darauf, dass es auch um institutionelle Ziele gehen könne. Lohmann bemerkte, dass es dann notwendig sei, dass man die Ziele von Institutionen und Gruppen auch teile, und brachte das Beispiel vom Tennisclub, bei dem es, wie sich herausstellte, weniger um das Tennisspielen als um gemeinsames Feiern ging.

Unvereinbarkeit von Systemen und Methoden: Bei Musikkooperationen ein Problem?

Adrian Rudershausens Bemerkung, Schule sei eher zielorientiert, Kultur eher praxisorientiert, modifizierte Dieter Döben auf Nachfrage des Moderators dahin gehend, dass Schule mittlerweile prozessorientiert agiere; es werde ein aufbauender Musikunterricht erteilt. Volker Gerland wies darauf hin, dass es methodisch zwischen Schulmusikern und Musikschullehrern wenig Probleme gebe, größere Probleme träten bei Kunsterziehern und Künstlern auf, da für diese der Reiz von Freiheit und zeitlicher Offenheit eine wichtigere Rolle spiele. Adrian Rudershausen stimmte zu, bei professionellen Musikern sei aber die Kooperation schon wieder schwieriger.

Robert v. Zahn fragte bei dem Vertreter der Laienmusik nach: Wie ist es bei den Musikvereinen, die von Haus keine ausgebildeten Musikpädagogen sind wie die Musikschullehrer? Gibt es methodische Probleme? Reicht da ein Orientierungslehrgang in Heek aus? Bernd Nawrat verwies auf Lehrstoffpläne und Prüfungsordnungen, die es auch in der Laienmusik gebe, ganz frei von Vorgaben bewege man sich nicht. Wer weiterkommen wolle, müsse Prüfungen ablegen, in Havixbeck gebe es hierzu eine vereinseigene Musikschule mit 700 Musikschülern. Döben bemerkte, dass in der Schule mittlerweile nicht mehr „Lehrplan“, sondern„Kompetenzerweiterung“ das Zauberwort sei.

Gerland führte zur Frage, wie man die Praxis der Musikschulen verbessern könne, aus, dass Lehrkräfte in Kooperationen höheren Aufwand betreiben müssten, und nannte Fahrzeiten, den Wechsel der Räumlichkeiten oder die Einrichtung von Räumen vor Beginn des Unterrichts. Früher sei dies für die Musikschullehrer eher die Ausnahme gewesen. Aufgrund des hohen Zusatzaufwands bleibe die Kommunikation oft auf der Strecke – dies gelte auch für die schulischen Lehrkräfte und sei der zeitlichen Taktung des Unterrichts geschuldet.

Döben betonte, dass ein besonderes persönliches Engagement die Voraussetzung bei Kooperationen sei. Er kenne beide Seiten, da er nebenher immer auch Stunden an der Musikschule erteilt habe, dadurch sei Ende der 90er Jahre auch die Kooperation zwischen Musikschule und Schule bei Streicher- und Bläserklassen in Gang gekommen.

Fazit: Keine Universalrezepte, um Kooperationen erfolgreich weiterzuführen

Robert v. Zahn schloss die Diskussion mit dem Fazit, dass es offenbar kein Universalrezept gebe, um Kooperationen erfolgreich weiterzuführen, wenn die beteiligten Personen wechselten. Man könne nur an die Kooperationspartner appellieren, die Übertragbarkeit immer mit im Blick zu haben.

Die Leiterin der Landesmusikakademie Antje Valentin dankte schließlich Robert v. Zahn, dass er die Moderation für den Vorsitzenden des Trägervereins Reinhard Knoll übernommen habe, sowie den Teilnehmern der Podiumsdiskussion für ihre Mitwirkung. Sie habe viel gelernt und könne einiges davon in ihre Arbeit mitnehmen. Auch die Mitgliedsverbände des Landesmusikrats, deren Delegierte die überwiegende Zahl der Mitglieder des Trägervereins der Landesmusikakademie stellen, wird das Thema Kooperationen weiter verfolgen, ist „Wie gelingen Kooperationen?“ doch der Themenschwerpunkt des Landesmusikrats für die nächsten beiden Jahre.

hs

Foto 1: Dr. Robert v. Zahn, Prof. Dr. Werner Lohmann, Dr. Dieter Döben, Volker Gerland am 28.11.13 beim Podiumsgespräch zum Thema „Kooperationen im Bereich de kulturellen Bildung“ im Konzertsaal der Landesmusikakademie NRW
Foto 2: Dr. Dieter Döben, Volker Gerland, Bernd Nawrat und Adrian Rudershausen am 28.11.13 beim Podiumsgespräch zum Thema „Kooperationen im Bereich de kulturellen Bildung“ im Konzertsaal der Landesmusikakademie NRW
Fotos: Bernhard van Almsick