Mit allen Widrigkeiten des Lebens versöhnt entließ Moderator Matthias Bongard (WDR) das Dortmunder Kongress-Publikum am Mittwoch ins Novembergrau. Er verlas zum Schluss die zwei Versionen von Fritz Eckengas Gedicht „November“. Die erste hadert mit dem jährlich wiederkehrenden bösen Monat, die andere feiert ihn hymnisch. Die zweite Version schrieb Eckenga nach dem Protestbrief einer Neunjährigen, die ihn darauf aufmerksam machte, dass sie im November Geburtstag habe und dass in keinem anderen Monat man so wunderbar heiße Schokolade trinken könne.
Aber eigentlich war Versöhnung gar nicht nötig, denn auf der „Vielfalt. Nutzen.“ überschriebenen Tagung am 27. November überwogen die positiven Stimmen. Kritik blitzte nur vereinzelt auf und auch über Finanzierungsprobleme wurde – zumindest in der großen Runde – nicht geklagt. Der Kongress, der bereits zum 5. Mal stattfand, dient dem regelmäßigen Austausch der kommunalen Bildungseinrichtungen und allgemein bildenden Schulen, die seit 2005 unter dem Dach „Bildungspartner NRW“ kooperieren. Von Jahr zu Jahr wurden weitere außerschulischen Kooperationspartner mit ins Boot geholt. Mittlerweile sind dies: Archive, Bibliotheken, Medienzentren, Museen, Musikschulen, Sportvereine und Volkshochschulen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Kongresses lag in diesem Jahr auf der Arbeit mit heterogenen Lerngruppen.
Nach einem Eröffnungsgespräch mit dem Staatssekretär im Schulministerium Ludwig Hecke, dem Beigeordneten für Schule und Kultur des Städte- und Gemeindebunds Claus Hamacher und dem Geschäftsführer der Medienberatung NRW Wolfgang Vaupel nahm Andreas Helmke, Erziehungswissenschaftler und Professor für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Koblenz-Landau, den Lehrerinnen und Lehrern die Angst vor dem im aktuellen Bildungsdiskurs geforderten individualisierten Unterricht und individualisiertem Lernen. Nicht eine radikale Änderung des Unterrichtens sei einzufordern, sondern eine Veränderung in kleinen Schritten und im Rahmen des vorhandenen Lehrkonzepts. Helmkes Argumentation stützte sich dabei vor allem auf die Hattie-Studie (2011, deutsch 2013).
Alternativ zur Individualisierung könne Unterricht auch abwechslungsreicher gestaltet werden, um der größeren Heterogenität von Lerngruppen Rechnung zu tragen. Wichtig sei die Erweiterung traditioneller Lernszenarien um handelndes Lernen. Gefördert werden sollten auch überfachliche Kompetenzen und Kreativität. Die Schaffung alternativer Erfolgsfelder stärke das Selbstvertrauen von Schülerinnen und Schülern, was sich wiederum positiv auch auf das schulfachliche Lernen auswirke. Kooperationen zwischen Schule und außerschulischen Partnern sollten vorzugsweise langfristig angelegt sein und in die „Innenarchitektur der Schule“ eingebaut werden. Außerschulische Bildungsangebote besäßen ein großes Potenzial, die Kooperationen bedürften aber einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung.
In der anschließenden Talkrunde erläuterte Sascha Derichs, wie das Aachener Bildungsbüro das Gelingen von Kooperationen unterstützt. Es stünden 300.000 Euro im Jahr als „Bildungszugabe“ zur Verfügung, mit denen über 50 Angebote für Kindergärten, Grundschulen und weiterführende Schulen gefördert würden. Die Nachfrage übersteige allerdings die Mittel, 500 Anträge seien gestellt worden. Marlis Erner vom Gymnasium Lauentianum in Warendorf bemerkte, dass Kooperationen „Herzensangelegenheiten“ seien, so dass der Wechsel des Personals ein Problem für die Nachhaltigkeit von Kooperationen darstelle. Die Stärkung von Schülerinnen und Schülern durch die Angebote außerschulischer Partner sei gerade dann wichtig, wenn die Noten in den Schulfächern nicht so gut seien. Staatssekretär Bernd Neuendorf lobte die Kooperation mit den Bildungspartnern aus Kultur und Sport und sprach davon, dass sich das Kulturministerium mittlerweile als "zweites Bildungsministerium" verstehe.
Präsentationen aus der Praxis und Workshops: Musikschulen als Bildungspartner
In insgesamt 18 Präsentationen und Workshops ging es im Kongresszentrum Westfalenhallen dann in die Praxis der verschiedenen Bildungspartnerschaften. Stephanie Buyken (Kaiserin-Augusta-Gymnasium, Köln) und Andreas Genschel (Musikschule Leichlingen) stellten die „Think-Pair-Share“ Methode als geeignetes Rüstzeug vor, um den Instrumentalunterricht in heterogenen Großgruppen zum Erfolg zu führen: Zunächst guckt jeder allein in die Noten und beschäftigt sich mit seiner Stimme, dann probiert er zu zweit mit dem Nachbarn, dann in einer kleineren Gruppe und erst zum Schluss spielen alle gemeinsam in der Großgruppe.
Eva-Maria Vetter und Matthias Holzmann (Realschule Oberaden) und Stefan Prophet (Musikschule Stadt Bergkamen) stellten die Profilklasse Musik der Realschule Oberaden vor, die in Kooperation mit der Musikschule angeboten wird. Sie ist offen für Schülerinnen und Schüler jeden instrumentalen Ausbildungsstands an allen Instrumenten. In der für die 5. und 6. Jahrgangsstufe angebotene Profilklasse können also sowohl die Kinder, die in der Grundschule im Rahmen des Programms „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) mit dem Instrumentalspiel begonnen haben als auch solche, die noch kein Instrument spielen oder die außerhalb der Schule ein Instrument erlernen, teilnehmen. Die Stimmen werden von Stefan Prophet in entsprechendem Schwierigkeitsgrad arrangiert.
Neben dem Orchesterspiel im Klassenverband (eine Doppelstunde pro Woche) erhalten die Schüler Einzelunterricht auf dem Instrument – bei dem am häufigsten gewählten Instrument, der Gitarre, in der „Drehtür“, das heißt, die Kinder fehlen im Schulunterricht am Vormittag für eine halbe Unterrichtsstunde pro Woche, aber rotierend, also in wechselnden Fächern. Dies funktioniere mittlerweile sehr gut und störungsfrei, auch die Eltern seien damit zufrieden und beschwerten sich nicht über den verpassten Schulunterricht ihres Kindes. Der Monatsbeitrag für Instrumentalunterricht inkl. Leihinstrument und Notenmaterial beträgt wie bei JeKi 35 Euro pro Monat. Die beiden Musiklehrer der Realschule stellten an einem Beispiel auch die Bezüge zum neuen Kernlehrplan Musik dar. In den Klassen 7 bis 10 haben die Schülerinnen und Schüler dann die Möglichkeit, an den jahrgangsübergreifenden Musikangeboten der Schule teilzunehmen. Oder sie melden sich bei der Musikschule an, um dort den individuellen Instrumentalunterricht fortzusetzen.
Wettbewerb „Kooperation. Konkret.“
Am Ende des Kongresses wurden die Gewinner des diesjährigen Wettbewerbs „Kooperation. Konkret.“ ausgezeichnet. Für vorbildliche Unterrichtskonzepte und Praxisbeispiele konkreter Zusammenarbeit von Schulen mit ihren Partnern in den Kommunen wurden prämiert:
1. Preis : „Modellbahnbau als Erprobungs- und Lernfeld für technische Kenntnisse und Fertigkeiten“ (VHS Gütersloh, Jugendwerkstatt der Kolping Bildungszentren Ostwestfalen, kommunale Fördergesellschaft Pro Wirtschaft GT und das Bildungsbüro des Kreises Gütersloh gemeinsam mit der Elly-Heuss-Knapp-Schule, dem Städtischen Gymnasium Gütersloh, dem Evangelisch Stiftischen Gymnasium und dem Ratsgymnasium Wiedenbrück).
2. Preis: „Klee Kinder“ (Paul-Klee-Grundschule Düsseldorf mit der Kunstsammlung NRW).
3. Preis „Rheinschätze. Eine Ausstellung von Kindern für kleine und große Besucher“ (Kreismuseum Zons und Friedrich-von-Saarwerden Schule in Dormagen).
Auch im nächsten Jahr plant die Medienberatung NRW die Fortsetzung des Wettbewerbes. Die Ausschreibung dazu startet im Mai 2014.
Weitere Informationen:
<link http: www.bildungspartner.schulministerium.nrw.de kongress.htm>www.bildungspartner.schulministerium.nrw.de/kongress.htm
hs