Bassem Hawar ist Virtuose an der irakischen Kniegeige Djoze, aktueller WDR-Jazzpreisträger im Bereich Musikkulturen und erfahrener Workshopleiter. Im Fokus seines Webinars vom 26. Mai standen die Grundlagen der Improvisation aus der Musikwelt des Nahen Ostens. Bassem Hawar nahm die Teilnehmenden mit auf eine Reise hin zu neuen Klangfarben, bildreichen Improvisationskonzepten sowie arabischer Intonation, Verzierung und Phrasierung rund um das Makamat. Die Teilnehmenden erhielten Praxistipps zur musikalischen Gestaltung. Unter ihnen Ayham Nabuti, der uns folgenden Bericht lieferte:
Vor zwei Monaten war ich noch unsicher, wie sich die Corona-Pandemie auf die Musik und vor allem das gemeinsame Musizieren auswirken würde. Viele Fragen waren offen und das gesellschaftliche, kulturelle und musikalische Leben kam erstmal weitestgehend zum Erliegen. Genau zu diesem Zeitpunkt fing ich an, für die Landesmusikakademie NRW zu arbeiten, die ich schon seit Jahren durch ihr vielfältiges Programm an Workshops, Lehrgängen und Fortbildungsangeboten kenne. Im Team der Landesmusikakademie standen wir vor der Herausforderung, neue Wege zu suchen und zu finden, um trotz der Einschränkungen durch die Corona-Verordnungen unter Einhaltung von Schutzmaßnahmen die musikalische Arbeit der Akademie fortzuführen und dafür neue technische Entwicklungen sowie die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen.
Ehrlich gesagt war ich zunächst relativ kritisch, wie und in welcher Form der Aufbau und das gemeinsame Erleben von Musikvermittlungsangeboten über Online-Plattformen und Applikationen wie Zoom, Facetime oder Big Blue Button möglich und umsetzbar ist. Und das vor allem im Hinblick darauf, wie es sich anfühlt und ob es auch Spaß macht.
Am Dienstag, den 26.05.2020 habe ich dann am ersten Online-Workshop „Orientalische Improvisation für alle“ im Rahmen der Brückenklang-Reihe teilgenommen und war positiv überrascht von den neuen Möglichkeiten. Es war ein neues und ungewohntes Erlebnis, das mir Mut und Hoffnung gibt, dass das kulturelle Leben weitergeht und wir uns von der Corona-Krise nicht aufhalten lassen, sondern weiter lernen, musizieren, uns weiter vernetzen und somit näher kommen trotz Abstandsgebot, und zwar analog wie digital.
Der erste Brückenklang Online-Workshop wurde vom Team der Landesmusikakademie professionell organisiert. Inhaltlich ging es um eine Einführung in orientalische Spielweisen mit dem Dozenten, Musiker und Djoze-Spieler Bassem Hawar. Moderiert wurde der Workshop von Edin Mujkanovic von der Landesmusikakademie NRW.
Im Zusammenspiel zwischen Unterrichtseinheiten von Bassem und der Moderation von Edin war der Workshop dynamisch, interessant und lehrreich. Inhaltlich vermittelte Bassem viel Hintergrundwissen. Die Teilnehmenden erhielten über Geschichten und phantasieanregenden Sprachbildern einen lebendigen Zugang zur orientalischen Musik mit all ihren so charakteristischen Skalen und Tonfolgen. Die Art und Weise, wie orientalische Musik gespielt wird, lässt sich nicht nur auf der Basis von Musiktheorie, sondern vor allem über den emotionalen Gehalt des Maqamats erklären. In diesem Sinne war es schön, wie Bassem sowohl mit musiktheoretischen Erklärungen, z.B. über die Viertel- bzw. Mikrotöne und Skalen- bzw. Maqamverwandtschaften, als auch mit Metaphern und Erzählungen einen Zugang zu orientalischen Spielweisen der Musik vermittelt hat.
Für Teilnehmende, die vorher noch keine Berührung mit orientalischer Musik hatten, war dies eine tiefgehende Einführung und Möglichkeit, die Besonderheiten der Musik des Orients kennenzulernen. Hierbei ging Bassem sogar auf die Feinheiten und Unterschiede zwischen arabischer, persischer und türkischer Musik ein.
Die digitale Form des Workshops war auch spannend. Anfangs war es ungewohnt, wenn man nur den Dozenten hört und alle Teilnehmenden per Videokonferenz nur spielen sieht. Durch die Möglichkeiten alle oder einzelne Teilnehmer*innen gezielt stummzuschalten, eröffnen sich wiederum neue Optionen des Dirigierens und konzentrierten Zuhörens einzelner Musiker*innen, was wiederum Freiräume für neue Moderations-, Lehr- und Unterrichtsformen ermöglicht.
Relativ schnell hat man sich an die neue Technik gewöhnt und bei solch spannenden Themen und Inhalten wie im Workshop von Bassem wurde es keinen Moment langweilig. Meine anfänglich eher kritische Haltung gegenüber digitalen Formen der Musikvermittlung ist nun vielmehr einer optimistischen Begeisterung gewichen. Ich freue mich schon, wie sich dieses Feld weiter entwickeln wird und was in Zukunft in diesem Bereich noch alles möglich sein wird. Wir stehen hier relativ am Anfang und einige Punkte sind sicherlich für die nächsten Veranstaltungen zu optimieren. Eines ist sicher, langweilig wird es garantiert nicht. Vor allem lässt sich die Musik und musikalische Weiterbildung nicht aufhalten, schon gar nicht von einem Corona-Virus und den verordneten gesetzlichen Kontaktbeschränkungen. Das Leben geht weiter und die Musik erst recht.
(Ayham Nabuti)