Nach seinem bravourösen Vortrag des Scherzo h-Moll von Chopin fragte Moderatorin Insa Backe den Pianisten Rafael Lipstein beeindruckt, ob er vor einer solchen Interpretation eigentlich unter großem Druck stehe. „Nein, gar nicht“, erwiderte dieser: „Ich habe mich darauf gefreut, in einem großen Saal auf einem wunderbaren Instrument zu spielen und zu hoffen, dass das Publikum dabei dasselbe fühlt wie ich.“ 16 Jahre alt ist der Leverkusener, der mit einer solchen Begeisterung auf die Bühne schritt, dass sie förmlich in die Sitzblöcke der Tonhalle übersprang.
Manche Überraschung bot das diesjährige Preisträgerkonzert „Jugend musiziert NRW“ am 1. Mai und alle Höhepunkte des Programms können hier nicht berichtet werden. Hingewiesen sei auf eine hinreißende Interpretation des subtilen Werks „What Color is a Soul“ von Eckhard Kopetzki für Vibraphon, Becken und Stimme. Jannis und Maike Günnel ließen den narrativen Gesang und das im Sprechrhythmus folgende Vibraphon ineinander zerfließen, getragen von Klängen, die mit einem Bogen an Becken und Vibraphon gestrichen wurden.
Insa Backe vermutete im Bühnengespräch, dass wohl nur Geschwister eine so geschlossene Interpretation hervorbringen können. Beide Künstler drucksten etwas herum, bis Jannis Günnel bekannte, dass das Duo nur so lange funktioniere, wie er der Meinung von Maike Günnel folge – einer Ansicht, der seine Schwester freundlich beipflichtete.
Werner Lohmann, Präsident des Landesmusikrats NRW, freute sich in seiner Eröffnungsrede über den großen Anteil, den die zeitgenössische Musik mittlerweile in den Wettbewerbsprogrammen von Jugend musiziert erreicht hat. Und er begrüßte das Phänomen, dass sich gerade so viele Musikerinnen und Musiker in Ensembles auf diese Musik einlassen. Dem schloss sich Thomas Baerens, Leiter des Referats Musik im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW, an. Er konnte es ohne Redemanuskript authentisch versichern, war er doch beim Landeswettbewerb in Münster als Juror tätig gewesen.
Joachim Ullrich, Prorektor der Hochschule für Musik und Tanz Köln, trug die Fackel der Ensemblekunst weiter, indem er Stipendien an zehn junge Musikerinnen und Musiker vergab, die die Teilnahme an Kammermusikkursen in der Europäischen Musikakademie in Montepulciano ermöglichen. Die Hochschule und der Förderverein von Jugend musiziert NRW finanzieren diese.
Ralf Fleischer, Geschäftsführer des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, verlieh schließlich die Sparkassen-Förderpreise an die drei Kontrabassisten Lars-Henrik Radloff, Juliane Bruckmann und Matthias Solle, an die Pianisten Rafael Lipstein und Tobias Haunhorst, der tags zuvor auch einen Ersten Preis und einen Sonderpreis für moderne Musik beim Rotary Klavier Wettbewerb in Essen erspielt hatte, und schließlich an ein Bläserquintett, das André Sebald zusammengeführt hat: Franziska Föllmer, Friederike Bassek, Julia Föllmer, Fabrice Fortré und Marc Gruber.
Ein besonderer Programmpunkt ist auf dem diesjährigen Kammermusikkurs in Krickenbeck erarbeitet worden. Der Sopranist Philipp Mathmann, Jahrgang 1986, hatte die Jury des Landeswettbewerbs mit einer Interpretation der Arie „Aus Liebe will mein Heiland sterben“ aus Bachs Matthäuspassion so beeindruckt, dass ihm Michael Bender, Organisator des Wettbewerbs, ein begleitendes Ensemble zusammenstellte: Vanessa Hepers (Flöte), Friederike Bassek und Dorothea Lincke (Englischhorn), Charlotte Sudhoff (Fagott) und Maximilan Volbers (Cembalo) sorgten in der Tonhalle für eine ebenso akkurate wie sinnliche Begleitung Mathmanns.
„Jugend musiziert NRW“ wird durch die nordrhein-westfälischen Sparkassen und das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW gefördert.
rvz
Fotos: Katharina Aretz, Linda Walter und Sophia Aretz am 1. Mai 2011 im Foyer der Tonhalle Düsseldorf. Werner Lohmann, Präsident des Landesmusikrats, begrüßt die Gäste. Andrang bei Dieter Döben vom Landesausschuss Jugend musiziert im Foyer. Fotos 1 und 3: LMR NRW, Foto 2: Studio157.de.