Als Christian de Witt, Leiter des Landeswettbewerbs Jugend musiziert, und Michael Becker, Intendant der Tonhalle Düsseldorf, die vielen Besucher des Preisträgerkonzerts Jugend musiziert NRW begrüßten, wollte sich das spannungsvolle Brodeln im Saal nur langsam beruhigen. Doch Becker hielt sich nicht bei der Vorstellung seines wunderbaren Konzerthauses auf, sondern dankte den Familien der Preisträger für das, was die jungen Musikerinnen und Musiker erreicht haben. Nicht wenigen Eltern und Geschwistern verlangt das Übepensum einiges an Opfern ab, der Erfolg rechtfertigt die Mühe. Das verfehlte seine Wirkung nicht.
Deutlich wurde Hildegard Kaluza, Kulturabteilungsleiterin im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW, in ihrem Grußwort: Die zeitliche Belastung durch die Schule ließen vielen Jugendlichen kaum noch Zeit, eine musikalische Begabung auszuformen und durch Üben zu entwickeln. Ihr Haus sei darüber mit dem Schulministerium im Gespräch. Sie wies darauf hin, dass sich innerhalb des Landesjugendrings ein Bündnis für Freiräume zusammengefunden habe. Die Initiative fordere mehr selbst zu gestaltende Zeit und Entschleunigung für die Jugendlichen. Spontaner Applaus brandete in der Tonhalle auf.
Zwischen den Konzertstücken trat der Rektor der Hochschule für Musik und Tanz Köln Heinz Geuen auf die Bühne und ging noch über Hildegard Kaluza hinaus: "Wir brauchen musikbewegte Tage für die Jugendlichen", forderte er im Gespräch mi Moderator Nicolas Tribes. Die Hochschule vergibt alljährlich zusammen mit dem Förderverein Jugend musiziert NRW drei Stipendien an Preisträger, die einen Kurs oder Arbeitsaufenthalt in der Europäischen Akademie für Musik und darstellende Kunst Montepulciano ermöglichen. Leben und Arbeiten in einem Palazzo der Toscana - eine Art Gegenmodell zur Alltagssituation des Übens.
Die Stipendien gehen an das Almanda-Trio, welches das Konzert fulminant mit dem Kopfsatz aus Beethovens Klavertrio D-Dur op. 70 Nr. 1 eröffnete. Linda Guo (Violine), Manuel Lipstein (Violoncello) und Alexandra Momot (Klavier) gestalteten den Satz als Hohelied der Kammermusik. Was aus dem Folgenden mag dagegen noch bestehen?, mag sich so mancher gefragt haben, und das Programm vollzog eine hurtige Stilwende. "Rain" heißt der Song, den Lukas Komnenovic aus Düsseldorf vortrug. In bester Songwriter-Tradition begleitete er sich selbst an der Gitarre. Angenehm schlank und berührend nahm sich der Song in der großen Tonhalle aus. Ein Ensemble der Chorakademie Dortmund führte das Publikum in das Gebiet des Volkslieds. Gina Alter, Christien Berger, Aurora Guercio, Michel Kabiri, Niklas Burczyk und Niklas Wagner sangen "Kein schöner Land" als Tonsatz, der einige Überraschungen bot, dann auch einen der "Sept Chansons" von Francis Poulenc in gekonnt verwobenen Harmonien.
Das Ensemble Johanna Bleyer, Lea Schürings, Josephina Lucke und Philip Neugebauer spielt erst seit Herbst 2015 zusammen Alte Musik, wenn Einzelne von ihnen auch länger in dem Genre unterwegs sind. Vivaldis Triosonate "la Follia" ist immer wieder ein Genuss und auch die Parforce der vier riss die Tonhalle mit, als höre man ein seit langem gewachsenes Ensemble. Einen Sprung ins Virtuosenzeitalter bedeutete die "Obsession" aus Eugène Ysayes zweiter Violinsonate. Die Düsseldorfer Violinistin Julia Heusler vollzog diese Besessenheit mit gleichzeitiger espressiver Zerrissenheit und Akkuratesse. Kein Hörer konnte sich dem "Dies Irae" entziehen. Max Cosimo Liebe aus Detmold und Lara-Sophie Kluwe aus Bad Driburg trugen die Romanza aus Poulencs Klarinettensonate op. 184 virtuos, sprechend und stilgerecht vor.
"Wieviel Liebe zur Musik muss vorhanden sein, um so viel zu üben und zu üben?", fragt Hans Buschmann, stellvertretender Geschäftsführer des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands und vergab die Sparkassenförderpreise. Aus seiner Sicht sind sie "eine kleine finanzielle Motivation dranzubleiben". Buschmann zeichnete Jan-Henning Drees aus Coesfeld und Kristin Ifland aus Recke aus, die André Blochs chinesisches Pfingstrosenfest "Meou tan yin" für Trompete und Klavier mit einer klaren Präzision vortrugen, die angesichts des poetischen Bezugs verblüffte. Ebenso die Harfenistinnen Sophie Shen aus Korschenbroich und Sophia Hann aus Krefeld, die die walisische Weise "Cambria" an zwei Konzertharfen zauberten. Zudem den Perkussionisten Christopher Schade aus Rösrath, der durch Eric Sammuts "Caméléon" für Marimbaphon wirbelte. Und Gina Keiko Friesicke aus Detmold, die virtuos durch Sarasates Carmen-Fantasie tanzte, begleitet von Mari Ito Friesicke am Klavier.
Auch Sophie Shen und Sophia Hann, Christopher Schade und Gina Keiko Friesicke erhielten Sparkassen-Förderpreise.Jugend musiziert NRW ist ein Förderprojekt der nordrhein-westfälischen Sparkassen und des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW. Der Wettbewerb wird getragen und durchgeführt vom Landesmusikrat NRW.
rvz
Fotos: Julia Heusler spielte Ysaye; Johanna Bleyer, Josephina Lucke, Philipp Neugebauer und Lea Schürings in der Tonhalle Düsseldorf, 5.5.2016; Michael Becker und Christian de Witt begrüßten das Publikum; Sophie Shen und Sophia Hann in der Tonhalle; eine Combo des Jugendjazzorchesters NRW spielte in der Rotunde der Tonhalle: Philipp Schittek, Posaune, Calvin Lennig, Bass, Andreas Theobald, Klavier, Lukas Büning, Schlagzeug. Fotos: LMR NRW.